Von Karin Schlottmann
Die Eingreiftruppe „Ines“ ermittelt gegen schwere Kriminalität. Die Ermittlungseinheit ist kleiner geworden – und effektiver, sagt die Justiz.
Der Minister: Jürgen Martens (FDP) will keine „politische Einflussnahme“.
Acht Staatsanwälte, 25 Kripo-Beamte, ein Steuerfahnder, eine Wirtschaftsfachkraft – das ist die neue „Ines“. Das Kürzel „Ines“ steht für Integrierte Ermittlungseinheit. Ihre Aufgabe: Die Bekämpfung besonders schwerer Fälle von internationaler, organisierter Kriminalität, schwerer Korruption und Wirtschaftskriminalität. Seit etwa einem Jahr arbeitet die Sondereinheit in abgespeckter Größe, aber – so sagt Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann – effektiver als früher.
Nur noch Fälle, mit denen eine normale Staatsanwaltschaft auch wegen der internationalen Verflechtungen überfordert wäre, zieht sich die zentrale Eingreifreserve auf den Tisch. Rechtshilfeersuchen an ausländische Justizbehörden und internationale Kontakte spielen in ihrem Alltag eine große Rolle, auch deshalb unterstehe „Ines“ direkt der Generalstaatsanwaltschaft, sagte Fleischmann. Ihr Chef ist ist der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer.
Besonders spezialisierte Staatsanwälte werden je nach Bedarf an „Ines“ abgeordnet, wie zum Beispiel jüngst eine russischsprachige Staatsanwältin für das Hewlett-Packard-Verfahren. Zoll, Steuerfahndung und Bundespolizei sitzen über ihre Verbindungsbeamten immer mit am Tisch.
Justizminister Jürgen Martens (FDP) sagt, für eine fundierte Bewertung der neuen „Ines“ sei es zu früh. Die Arbeitsergebnisse würden ergebnisoffen überprüft. Schon der bloße Anschein politischer Einflussnahme müsse verhindert werden. „Eine Zuständigkeit aus politischen Gründen darf es nicht geben.“ Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi fordert, die Sondereinheit müsse sich auch um wichtige Umweltstraftaten kümmern.
Inzwischen liegen die ersten Anklagen bei den Gerichten. Acht Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft. Die SZ beschreibt die wichtigsten „Ines“-Verfahren, über die demnächst die Gerichte entscheiden müssen:
Fall 1: Diebstahl von Baumaschinen im großen Stil
In 32 Fällen in Sachsen, Bayern, Brandenburg und Thüringen hat eine Bande teure Baumaschinen gestohlen. Sie brachen Werkshallen und Container auf und verschoben die teuren Geräte nach Polen. Zwei von ihnen sind jetzt angeklagt worden, sie wurden im Frühjahr verhaftet. Der Schaden beträgt eine Million Euro. Bei der Aufklärung der Bandenstruktur griffen die Ermittler auch auf die Telefonverbindungsdaten der Täter zurück.
Fall 2: Schwarze Kassen beim US-Konzern Hewlett Packard
Die drei Hauptverdächtigen haben im Namen des US-Computer-Riesen Hewlett Packard einen Liefer- und Dienstleistungsvertrag mit der russischen Generalstaatsanwaltschaft abgeschlossen. Von dem Auftragsvolumen in Höhe von 35 Millionenl Euro sollen sie fünf Millionen Euro abgezweigt haben, um damit ausländische Amtsträger zu bestechen. Eine kleine Leipziger Computerfirma sei als „schwarze Kasse“ genutzt worden. Deshalb sind die Behörden in Sachsen zuständig, obwohl sich der Fall hauptsächlich in den USA und in Russland abspielt.
Fall 3: Bestechungsskandal bei den Wasserwerken Leipzig
Es ist der bisher größte Fall von Korruption in Sachsen. Die beiden Beschuldigten sind ehemalige Geschäftsführer der Wasserwerke Leipzig GmbH. Sie sollen 2006 und 2007 hochriskante Finanzgeschäfte ohne Zustimmung von Aufsichtsrat und Gesellschaftern abgeschlossen haben. Der Schaden für das kommunale Unternehmen wird auf 290 Millionen Euro geschätzt. Der Hauptbeschuldigte hat gestanden, 3,7 Millionen Euro Schmiergeld bekommen zu haben. Der Prozess soll im Herbst beginnen.
Fall 4: Vietnamesischer Schleuserring in Dresden
Für mindestens 16 Ausländer soll eine Vietnamesin Scheinehen und vorgetäuschte Vaterschaftsanerkennungen vermittelt haben. Als Gegenleistung habe sie jeweils 20.000 Euro bekommen. Zwei Mitarbeiter der Dresdner Ausländerbehörde sollen ihr mit falschen Papieren geholfen haben. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.
Fall 5: Drückerkolonnen im Zeitungsgewerbe
Drei Beschuldigte sind angeklagt, in über hundert Fällen Steuern und Sozialbeiträge im Umfang von insgesamt über vier Millionen Euro hinterzogen zu haben. Die Ermittlungen richteten sich gegen eine überregionale Drückerkolonne, deren Mitglieder an Haustüren Abonnements verkaufen. Der Prozesstermin ist noch offen.
Fall 6: Subventionsbetrug zu Lasten der Aufbaubank
Um Subventionsbetrug zulasten der Sächsischen Aufbaubank geht es in einem Verfahren in Chemnitz. Sechs Beschuldigte sollen Subventionen für Lizenzen erschlichen haben, indem sie den Preis um zehn Millionen Euro überhöhten. Durch das Scheingeschäft entstand ein Schaden von acht Millionen Euro. Die Generalstaatsanwaltschaft konnte 2,5 Millionen Euro sicherstellen. Die Anklage liegt seit 2009 beim Landgericht Chemnitz.