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Verfassungsschutz sieht wachsende Gewalt von Extremisten
Die Zahl der Gewalttaten von Links- und Rechtsextremisten hat 2010 in Sachsen deutlich zugenommen. Das geht aus dem von Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht hervor. Ulbig bezeichnete die Entwicklung als „besorgniserregend“. Nicht nur die Zahl der Delikte, auch deren Intensität habe zugenommen.
Gleiches Erscheinungsbild: Rechte und linke Extremisten sind für Außenstehende oft kaum zu unterscheiden
Ulbig: Rechtsextremismus ist „Hauptsorge“
Den Rechtsextremismus bezeichnete der Innenminister als „Hauptsorge im Freistaat“. Die Gewaltdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund stiegen laut dem Verfassungsschutzbericht im Jahr 2010 um rund 17 Prozent auf 98 Fälle. Darunter seien zwei versuchte Tötungsdelikte gewesen, 13 Mal legten Neonazis zudem Feuer. 58 Prozent der Angriffe richteten sich gegen politische Gegner. Insgesamt gingen die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund, also auch rechte Propagandadelikte und Schmierereien, aber um rund acht Prozent auf 1.808 Delikte zurück.
Audio: Sächsischer Verfassungsschutzbericht
„Freie Kräfte“ und Kameradschaften mit den meisten Mitgliedern
Als stärkste Kraft der gewaltbereiten rechten Szene bezeichnete Ulbig die etwa 970 sogenannten Neonationalsozialisten. Diese sammelten sich wieder zunehmend in den fester organisierten Kameradschaften. Deren Mitgliederzahlen stiegen seit 2009 von 190 auf 240 Personen. Den lose organisierten sogenannten „Freien Kräften“ gehörten 2010 mit 730 Anhängern gut 30 weniger als im Vorjahr an. Diesen Gruppen gelinge es häufiger als der NPD, zum Beispiel mit Spontandemonstrationen öffentlich in Erscheinung zu treten, so der Innenminister. Die NPD hat laut dem sächsischen Verfassungsschutz ihre Schlüsselrolle im Rechtsextremismus behalten, obwohl es ihr nach dem knappen Widereinzug in den Landtag nicht gelungen sei, neue Wählerpotenziale und Anhänger zu erschließen. Die Mitgliederzahl der Partei blieb mit etwa 800 Personen nahezu konstant. Ein neues NPD-Verbotsverfahren sei keine Garantie dafür, das Problem in den Griff zu bekommen, sagte Ulbig. „Wir müssen uns weiter politisch und gesellschaftlich damit auseinandersetzen“, meinte der Minister.
Auch deutlich mehr linksextremistische Gewalttaten
Während die Zahl der Rechtsextremisten seit 2006 um rund 16 Prozent schrumpfte, wuchs die der Linksextremisten um 36 Prozent auf 750 Personen. Laut Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos umfasst etwa die Autonomenszene in Dresden, Leipzig und Chemnitz rund 370 Personen. „Das Aggressivitätsniveau ist deutlich gestiegen“, sagte Boos. Das Hauptaktionsfeld sei nach wie vor der Antifaschismus, 88 der registrierten 128 Gewalttaten erfolgten bei Demonstrationen gegen Rechts. Es gab aber auch Brandanschläge gegen Reviere und Einsatzfahrzeuge der Polizei. 2009 hatte der Verfassungsschutz noch 89 linksextremistische Gewalttaten registriert.
Keine „konkrete Gefahr“ durch islamistische Extremisten
Der Verfassungsschutz hält die Bedrohung durch islamistische Extremisten nach wie vor für hoch. Anlass für eine „konkrete Gefahr“ durch den Terrorismus sieht Behördenchef Boos jedoch nicht. Laut dem Verfassungsschutzbericht gehören im Freistaat etwa 380 Menschen sogenannten ausländerextremistischen Vereinigungen an, 2009 waren es noch 360 gewesen. Der Bericht hebt mit dem Salafismus eine Variante des Islamismus besonders hervor. Entsprechende Aktivitäten habe es zumeist um den Leipziger Verein Islamische Gemeinde in Sachsen – Al-Rahman-Moschee – gegeben. Dagegen tritt die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zunehmend weniger in Erscheinung. Ihr werden im Freistaat rund 150 Anhänger zugerechnet