Nordbayern.de, 12.10.2010

Piloten und Passagiere in Gefahr

Nürnberg – Ein gefährlicher „Spaß“ findet zunehmend Anhänger: Piloten von Flugzeugen oder Hubschraubern werden immer häufiger durch Laser-Pointer geblendet. Die Piloten können vorübergehend nichts sehen. Dass es noch keine Abstürze gab, grenzt an ein Wunder. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg kürzlich das Verfahren gegen einen Beschuldigten eingestellt.

Gefährliche Unsitte: Auch am Nürnberger Flughafen sind Piloten mit Laserpointern geblendet worden.

Eigentlich ist die Rechtslage klar. Gefährliche Eingriffe in den Luftverkehr sind strafbar. Paragraf 315 Strafgesetzbuch (StGB) belegt solche Handlungen mit Haft zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Schon der Versuch ist strafbar — zu einem Unglück muss es also nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht kommen.

So sieht dies beispielsweise das Amtsgericht in Hof und verurteilte gestern eine 26 Jahre alte Frau für das Blenden eines Piloten zu drei Monaten Haft auf Bewährung. Zudem muss sie 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Das Gericht befand sie der gefährlichen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr für schuldig. Die 26-Jährige hatte einen Laser auf eine Maschine des Linienflugs Frankfurt–Hof gerichtet und den Piloten geblendet. Der Eingriff des Co-Piloten hatte Schlimmeres verhindert. Das Flugzeug hätte auch abstürzen können.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg hingegen stellte im August das Verfahren gegen einen Beschuldigten ein, der seinen Laser im April auf die Besatzung eines Polizei-Hubschraubers in Erlangen gerichtet hatte. „Durch das rechtzeitige Eingreifen“ der Piloten sei es gar nicht zur unmittelbaren Gefahr eines Unfalls gekommen. Deshalb sei auch der Tatbestand des Paragrafen 315 StGB nicht erfüllt. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg schloss sich dieser Haltung im September an.

Die juristischen Hintergründe: Dem Beschuldigten konnte keine Absicht nachgewiesen werden, die Piloten zu treffen, erläuterte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Antje Gabriels-Gorsolke, auf Anfrage. Nach seiner Darstellung habe er lediglich eine am Hubschrauber angebaute Kamera beeinflussen wollen. Damit sei der Beschuldigte juristisch nicht mehr greifbar gewesen.

Tatsächlich sind solche Laserblitze für Piloten hochgefährlich, wie etwa die Pilotenvereinigung Cockpit deutlich macht. Beim nächtlichen Landeanflug von Verkehrsmaschinen ist die Cockpit-Beleuchtung abgedunkelt, weshalb sich die Pupillen der Piloten vergrößern. „Trifft dann ein Laserblitz das Auge, kann es zu Blindheits-Phasen und sogar zu Netzhaut-Blutungen kommen“, sagt Flugkapitän Jörg Handwerg als Cockpit-Sprecher. Würden beide Piloten getroffen, könnte es zum Absturz der Maschine kommen. Laserattacken seien also „fast schon wie das Werfen eines Gullydeckels von einer Autobahnbrücke“.

Angesichts solch konkreter Gefährdungen verfügte das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) im Oktober vergangenen Jahres eine Meldepflicht für Laserattacken. Und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit Jahresbeginn wurden 229 Laser-Angriffe auf Piloten registriert (Stand: 23. September). 14 davon betrafen Hubschrauber-Besatzungen, so LBA-Sprecherin Cornelia Cramer. Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher liegen. Denn meldepflichtig sind beim LBA ausschließlich deutsche Luftfahrtunternehmen. Das Bayerische Landeskriminalamt notiert 17 Fälle seit Januar, darunter sechs Attacken auf Hubschrauber.

Mindestens vier dieser sechs Attacken betrafen Maschinen der Polizeihubschrauber-Staffel in Bayern, sagt deren Personalrats-Chef Peter Grimm. Und macht sich zusammen mit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) für weitreichende Konsequenzen stark, zumal in jüngerer Vergangenheit auch Streifenwagen unter Laser-„Beschuss“ genommen worden seien. Kurzfristig könnte die Anschaffung spezieller Schutzbrillen den Hubschrauber-Piloten mehr Sicherheit bieten, meint Grimm. Wobei es offenbar eine Reihe technischer Probleme gibt, denn Schutzbrillen sind auf einen bestimmten Frequenzbereich ausgerichtet, unterschiedliche Laser-Typen arbeiten aber in unterschiedlichen Spektren.

Schärfere Strafen gefordert

Mittelfristig möchte die DPolG die Politik dazu motivieren, die Rechtslage zu ändern, so Grimm. Ziel wäre es, dass künftig nur noch Laserpointer der Schutzklasse eins frei verkäuflich sind. Sie haben maximal ein Milliwatt Leistung und werden für Vorträge etc. eingesetzt. Stärkere Laser möchte die Gewerkschaft vom Gesetzgeber als „verbotene Gegenstände“ eingestuft sehen. Dadurch würde sowohl deren Erwerb als auch der Besitz jeweils unter Strafe gestellt. Mit der Konsequenz, dass ein Täter nicht mehr davonkäme, nur weil ihm der Staatsanwalt — wie im Erlanger Fall — keine Angriffs-Absichten auf die Piloten nachweisen kann.

Auch hinsichtlich der strafrechtlichen Konsequenzen von Laser-Angriffen sollte die Politik nachdenken, meint Grimm. Er verweist auf den US-Senat, der erst kürzlich eine Gesetzes-Verschärfung abgesegnet hat: Wer in den USA einen Laser bewusst auf ein Luftfahrzeug richtet, dem drohen künftig bis zu fünf Jahre Haft. Auf dem Weg in diese Richtung möchte die DPolG schon bald Nägel mit Köpfen machen, hieß es nach internen Gespräche am Dienstag. Der Landesvorstand will das Gesamtproblem in einem Papier zusammenfassen und demnächst Bayerns Justizministerin Beate Merk vorlegen. Verbunden mit der Bitte, damit in Berlin vorstellig zu werden.

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