Anhörung
Innenausschuss Sächsischer Landtag 10. März 2011
„Keine Einleitung einer erneuten Personal- und
Strukturreform bei der sächsischen Landespolizei
ohne Einbeziehung des Sächsischen Landtages“
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
der vorliegenden Drucksache – keine Einleitung einer erneuten Personal- und Strukturreform bei der sächsischen Landespolizei ohne Einbeziehung des sächsischen Landtages – kann man nur zustimmen.
Begründen möchte ich dies mit folgenden Sachständen:
Am 9. Dezember 2003 weist der damalige Innenminister Rasch Vorwürfe zur Polizeireform in Sachsen zurück.
Ich möchte zitieren:
„Diese Reform ist sinnvoll und notwendig, die neuen Strukturen werden stärker und leistungsfähiger sein und Stabilität für die Zukunft garantieren. Die Polizei wird näher an die Bürger heranrücken und die Präsenz in der Fläche wird steigen.“
So der damalige Innenminister.
Zudem wurde damals referiert, dass mehr Polizisten zukünftig an der Basis arbeiten werden.
Das Ergebnis ist heute noch deutlich erkennbar. An der Basis sind keine Polizisten angekommen und die damalig angestrebte Polizeireform wurde bis zum heutigen Tag nicht zu Ende gebracht.
Die nun anstehende Polizeireform 2020, welche in diesem Jahr vom Kabinett verabschiedet wurde, nimmt von Tag zu Tag einen immer eigenartigeren Verlauf hinter dem Rücken der Abgeordneten des Sächsischen Landtages.
Aber auch das Gleiche passiert derzeit mit den Interessenvertretungen der sächsischen Polizei.
Zum Reformbeginn wurden wenigstens in den Projektgruppen Mitglieder des Hauptpersonalrates eingebunden.
Die bis dahin erarbeiteten Arbeitsergebnisse konnten bis dato mitgetragen werden.
Mit der sogenannten Beratung des Lenkungsausschusses, der durch externe Partner untersetzt war, wie der Abteilungsleiter der Polizei im Berliner Innensenat Axel Dechkams, der ehemalige Polizeipräsident von NRW Karl-Heinrich von Bauerr, Wirtschaftswissenschaftler Heino von Schuckmann, der Bereichsgeschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit Rudolf Knorr sowie unter Vorsitz des sächsischen Landespolizeipräsidenten Bernd Merbitz wurde das Grobkonzept mit der Begründung – es brauche einen engen Zeitplan – erarbeitet.
Ziel ist es, mit weniger Personal die Sicherheit im Freistaat Sachsen auf hohem Niveau zu gewährleisten, die Polizei soll sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und polizeifremde Aufgaben abbauen und die bestehende Polizeiorganisation soll weiter gestrafft werden.
Zu dieser Gesamtthematik besuchte der Landespolizeipräsident Bernd Merbitz alle Polizeidirektionen und sprach zum damaligen Zeitpunkt von Transparenz und Einbindung in die gemeinsame Aufgabe.
Dazu stellte er zum damaligen Zeitpunkt ein Zeitkonzept bis zur Erarbeitung des Grobkonzeptes vor.
Obwohl das Grobkonzept angekündigt war, wurde am 8. November 2010 ein Diskussionspapier der Öffentlichkeit vorgestellt und fast zeitgleich allen Polizeibeschäftigten über das Internet bzw. Intranet der Polizei zugänglich gemacht.
Auf der einen Seite wurden sehr detaillierte und konkrete Vorstellungen dargelegt und andererseits notwendige Informationen oberflächlich, ungenau, unvollständig oder gar weggelassen.
Der höflichen Aufforderung zur Übermittlung des ausstehenden Zahlenwerkes oder anderer zur Erkenntnis führenden Dokumentationen schenkte man bis zum heutigen Tag keine Beachtung.
Ich bin der Auffassung, dass die Arbeits- bzw. Vorgehensweise bei der geplanten Änderung der Organisationsstruktur falsch und so nicht akzeptabel ist.
Zuerst hätten umfassende Aufgabenkritik, dann Personalbedarfsberechnung und im Anschluss die Organisationsstruktur erarbeitet werden müssen.
Die Wirklichkeit ist eine andere – Festlegung der Staatsregierung zum Einsparpotential, dann die Durchführung einer sogenannten Aufgabenkritik, aber ohne klare Lösungsansätze und dann die Abbildung einer Organisationsstruktur.
Zu diesem Zeitpunkt müsste jetzt eigentlich jeder Abgeordnete verstehen, warum das Grobkonzept so einen engen Zeitplan benötigte.
Zu der wirklichen Beteiligung und aktiven Mitwirkung erspare ich mir die Ausführungen.
Sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
nun einige Ausführungen zum vorliegenden Papier.
Nach dem vorgelegten Papier sollen noch 2631 Stellen (1894 PVD-Stellen und 734 aus dem Verwaltungsbereich – Tarifbeschäftigte/Verwaltungsbeamte -) abgebaut werden.
Am Ende sollen im Jahr 2010/22 9650 PVD-Stellen und 1630 Verwaltungs-/Tarifstellen zur Erledigung der Aufgaben der Polizei ausreichen.
Durch diesen Einschnitt – bei Beibehaltung der Anzahl der Streifenbeamten und gleichzeitiger Reduzierung der Polizeireviere – bedeutet das grundsätzlich, dass die Einsatzzeiten und Ein-satzwege im Vergleich zu heute einen negativen Weg nehmen werden.
Zum Einsatz der Bürgerpolizisten sei bemerkt, dass keine Berechnungsgrundlage vorliegt.
In den Großstädten steigt die Anzahl der Bürger pro Bürgerpolizist und in den Kommunen hat man die Zuordnung der Größenordnung von Kommunen bis zu 5.000 Einwohner wahrlich mit 7.500 überschritten.
Die 30-prozentige Kürzung bei Führung, Stab sowie Verwaltung werfen eine Vielzahl von Fra-gen auf, die bisher unbeantwortet bleiben.
Absolut unerkennbar bleibt derzeit, warum man sich für ein „Fünfer-Modell“ entschieden hat, wo doch klar und eindeutig das „Dreier-Modell“ für die Unterstützung der Basis praktikabler gewesen wäre.
Unerklärlich ist ebenfalls die Aufteilung der Polizeireviere und deren Standorte.
Hier sind bis dato keine Fakten benannt worden, welche die Entscheidung für die jetzt benannten Standorte untersetzen.
Dieser „rote Faden“ der Unerklärbarkeit durchzieht das gesamte Grobkonzept und zeigt, dass es mit einer sehr „heißen Nadel gestrickt“ wurde.
Betrachtet man dazu noch die finanzielle Seite, so ist bis zum heutigen Tag nicht zum Ausdruck gebracht worden, wie viel Millionen in die Immobilien (Polizeidirektionen/Polizeireviere/Polizeiposten) in den letzten 20 Jahren geflossen sind.
Es gibt aber auch keine konkrete Aussage darüber, auf welche Millionensumme sich die Investitionen entwickeln werden, bis die neue Polizeistruktur 2020/22 erreicht ist.
Die gute Hälfte der Dienststellen wird zukünftig in vielerlei Hinsicht leer stehen und die Polizei hat sich aus der Fläche zurückgezogen.
Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, wie viel Geld wurde bereits verschwendet und soll bei der weitere Umsetzung der Reform noch verschwendet werden.
Auf Grund der vielen ungeklärten Fragen zum Projekt Polizei-Sachsen 2020, der Kosten, der Überbelastung unserer Polizeibeschäftigten, der Fehlentwicklung im Motivationsfeld (Streichung der Sonderzahlung), aber auch der Eingrenzung von Beförderungen (keine Stellenhebung beim Doppelhaushalt), Verlängerung des Pensionsalters – sind diese Einsparungen die Investitionsgrundlage für die sächsische Polizei?
Das war Anlass genug, in den letzten Wochen und Monaten Sensibilität bei den Abgeordneten, bei den Landräten und Bürgermeistern zu wecken.
Wenn sich Wirtschaft ansiedeln soll, spielt die gefühlte Sicherheit eine sehr große Rolle.
Wenn aber zugelassen wird, das es zukünftig uneffektive Wegezeiten für das Personal gibt
und enormer Verlust an Arbeitszeit dazu kommt dann steht hier die Frage der Effizienz.
Ziel von Strukturveränderungen muss eine Optimierung der Aufgabenerfüllung sein, nicht weiterer Personalabbau.
Eine „schleichende“ Arbeitsverdichtung durch Personalabbau wie bisher bei gleich bleibenden Aufgabenumfang ist nicht akzeptabel.
Mobilität und Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen durch monetäre Anreize gefördert werden und sich auch in einer motivierenden, leistungsgerechten Bezahlung widerspiegeln, aber dazu wurde im Gegenteil die Sonderzahlung gestrichen und auf Stellen-hebungen im Doppelhaushalt verzichtet,
Wenn sich die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen weiterhin sicher fühlen sollen,
dann sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
dann werfen Sie nicht nur ein Auge auf das Projekt – Polizei Sachsen 2020, sondern setzen sich mit den Tatsachen auseinander und folgen Sie parteiunabhängig der
Drucksache 5/4221.
Mit dieser Tatsache würden Sie den vielen Polizeibeamtinnen und -beamten zeigen, dass Sie als Abgeordnete noch Interesse an Ihren sächsischen Polizistinnen und Polizisten haben. Gleichfalls werden es Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Freistaat danken.