Frankfurter Rundschau, 14.10.2010
Anti-Atom-Protest
Linke ruft zum „Castor-Schottern“ auf
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linken und der Landesverband Nordrhein-Westfalen rufen zum „Schottern“ beim Protest gegen den nächsten Atommüll-Transport Anfang November auf. Dabei sollen massenhaft Steine aus dem Gleisbett entfernt werden, damit der Zug mit den Castor-Behältern in Niedersachsen nicht Richtung Zwischenlager Gorleben fahren kann. Nach Paragraf 316 b des Strafgesetzbuchs können für solche Störungen der öffentlichen Ordnung Geldstrafen, aber in besonders schweren Fällen auch Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren verhängt werden. Die Abgeordneten gehören zu den Unterzeichnern eines Aufrufs der Aktion „Castor schottern“. Ob das Schottern tatsächlich eine Straftat darstellt, ist umstritten. Für Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) liegt die Sache klar: Das Schottern sein „kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat“. Die Staatsanwaltschaft in Lüneburg prüft sogar, ob schon der Aufruf strafbar ist. Die Initiatoren bezeichnen ihren Plan dagegen als „zivilen Ungehorsam“.
Der zwölfte Castor-Transport wird am ersten Novemberwochenende im Wendland erwartet. Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechnet mit 50.000 Demonstranten. 16 500 Polizisten würden im Einsatz sein.
Der stellvertretende Bundestagsfraktionsvize Jan von Aken verteidigte seine Beteiligung am Aufruf zum Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett. „Der Atomdeal der Regierung ist zutiefst undemokratisch, deshalb ist ziviler Ungehorsam mehr als berechtigt“, sagte von Aken am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn die Regierung zu drastischen Mitteln greift, müssen wir auch zu drastischen Mitteln greifen.“
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, rief NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) dazu auf, sich klar von der Linken im Land zu distanzieren. „Das ist eine schlimme Erosion des Rechtsverständnisses von Parteien und Politikern“, sagte er der dpa. Der Aufruf löse bei der Polizei tiefe Besorgnis aus. „Die Militanz wird bei diesem Castor-Einsatz deutlich zunehmen.“ Wendt machte dafür auch die Entscheidung der Regierung für längere Atomlaufzeiten verantwortlich. (dpa/fr)