Arbeitsüberlastung bei der Polizei
Bis zu 25 Prozent der Polizisten des Bundes fühlen sich ausgebrannt. Die schlechte Stimmung beeinträchtigt das Engagement. Grund für die Erschöpfungszustände sind vor allem zu wenig Personal, Wochenendschichten und wachsende Aufgaben.
Matthias Seeger, Präsident der Oberbehörde in Potsdam, gesteht, dass die Neuausrichtung seiner Behörde keine leichte Aufgabe sei. Er will die „berechtigte Kritik in einigen Bereichen sehr ernst nehmen“.
Bonn: „Ich fühle mich total ausgebrannt“, sagt Bundespolizist Andreas Weber (Name geändert). Sein Kollege Dieter Ludwig (Name geändert) räumt ein: „Ich reiße hier nur noch meinen Job ab und bin froh, wenn Feierabend ist.“ Bei Jörg Bremer (Name geändert) „ist die Luft raus. Eigentlich bin ich nur noch anwesend.“
Die drei Beamten von der für ganz NRW zuständigen Inspektion Sankt Augustin stehen mit ihrer Meinung nicht allein da, wie eine vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Studie der Hochschule Magdeburg-Stendal belegt. Danach sind ein Viertel der Polizisten vom Burnout-Syndrom betroffen. Erschöpfungszustände werden vor allem durch zu wenig Personal, wachsende Aufgaben, Wochenendschichten und Sondereinsätze ausgelöst, heißt es. Die Wissenschaftler befragten mehr als 2000 Bundes- und Landespolizisten sowie Mitarbeiter von Feuerwehren und Rettungsdiensten. Mit Abstand am schlechtesten schnitt die Bundespolizei ab. Zwischen der ersten Befragung 2006 und einer zweiten 2008 stieg die Zahl der „hoch ausgebrannten“ Polizisten des Bundes von 15 auf rund 25 Prozent. Bei Polizisten der Länder liegt die Burnout-Rate laut Studie bei etwa zehn Prozent.
Darüber hinaus stellt der Bericht fest, dass die Hälfte der Bundespolizisten innerlich unruhig und unausgeglichen sei. Bei der Frage nach der Identifikation mit der eigenen Truppe antworteten zwei Drittel, sie fühlten sich nur wenig mit den Werten und Zielen der Behörde verbunden. Die schlechte Stimmung schlage sich auch im Engagement nieder: 42 Prozent sagten, sie seien nur „gering engagiert“.
Viele Bundespolizisten sehen den Hintergrund der „miesen Lage“ in der Neuorganisation (der dritten seit 1992), mit der die Behörde auf den Wegfall der stationären Grenzkontrollen, der Zunahme der illegalen Migration und die terroristische Bedrohung reagiert hat. Die Folge: Viele der rund 40 000 Bundespolizisten wurden und werden versetzt; etwa von der Ostgrenze an den Flughafen Rhein-Main. Die Arbeit werde falsch verteilt, heißt es. Zudem fehle Personal. Knapp 700 Beamte sollen es sein. Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), fordert, „den fatalen Kreislauf von immer mehr Aufgaben bei gleichzeitigem Personalabbau zu stoppen“.
Streife gehen am Flughafen oder im Bahnhof, zwischendrin einen Handtaschendiebstahl „abarbeiten“ und, weil man gerade am Schreibtisch sitzt, sämtliche Häkchen im Vorgangsbearbeitungssystem Artus kontrollieren sowie Fußballfans quer durch die Republik begleiten. So schildert Dieter Ludwig eine typische Arbeitswoche. Am Samstag drauf geht’s zur Demo nach Köln oder Hamburg. „Wenn man wenigstens spüren würde, dass die Führung uns und unsere Arbeit schätzt . . .“
Sein oberster Vorgesetzter Matthias Seeger, Präsident der Oberbehörde in Potsdam, gesteht, dass die Neuausrichtung seiner Behörde keine leichte Aufgabe sei. Er will die „berechtigte Kritik in einigen Bereichen sehr ernst nehmen“. Das Bundespolizeipräsidium werte zurzeit den Abschlussbericht der Hochschul-Wissenschaftler aus. Personallücken an Schwerpunktdienststellen werden noch in diesem Jahr mit 450 neu ausgebildete Kollegen aufgefüllt, sagte Seeger auf Anfrage. Ende 2012 soll die Bundespolizei ihre Sollstärke erreichen. „Bis dahin“, so versichert Andreas Weber, „ist bei mir die Luft längst raus.“
Kölner Stadtanzeiger, 17.05. 2010
Studie
Von Dagmar Blesel