Welt online, 09.08.2010
Berlin – In der Diskussion über die Neuregelung der Sicherungsverwahrung hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, gefordert, den Aufenthaltsort freigelassener Schwerkrimineller öffentlich zu machen. Wendt sagte „Bild am Sonntag“: „Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu erfahren, wo sich entlassene Schwerkriminelle befinden.“ Er wolle wissen, wenn ein Vergewaltiger in der Nachbarschaft seiner Enkelin wohnt.
Der von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geplanten Einführung einer elektronischen Fußfessel für weiterhin als gefährlich eingestufte entlassene Straftäter erteilt Wendt eine klare Absage: „Eine Fußfessel ist höchstens etwas für Kleinkriminelle, aber bei Schwerverbrechern völlig sinnlos. Denn man weiß zwar, wo der Verbrecher ist, aber nicht, was er macht.“
Unterdessen spitzte sich der Streit in der Regierungskoalition über die Sicherungsverwahrung zu: Leutheusser-Schnarrenberger warf Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Blockadehaltung vor. „Das Bundesinnenministerium hat die weiteren Beratungen aufgehalten, obwohl mein Gesetzentwurf auf Eckpunkten beruht, die das Kabinett bereits beschlossen hat“, klagte die Ministerin im „Focus“. De Maizière hatte angeregt, Sexualstraftäter nach ihrer Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in anderen Einrichtungen unterzubringen.
Leutheusser-Schnarrenberger lehnt ein solches Vorgehen ab: „Wir können die Straftäter, die gerade durch Gerichte aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden, nicht nachträglich wieder einsperren.“ Nur wenn die Betroffenen einwilligten, könnten sie in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mussten bereits mehrere ehemalige Häftlinge aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, die rückwirkend verlängert worden war. Ein Treffen der Justizstaatssekretäre von Bund und Ländern über das weitere Vorgehen hatte am vergangenen Freitag in Berlin zu keinem Ergebnis geführt.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach sich sowohl für den Einsatz von Fußfesseln als auch die Unterbringung in speziellen Einrichtungen aus. Beides sei nötig, sagte Gabriel im „Bericht aus Berlin“. Die Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftätern allein mit elektronischen Fußfesseln ist auch innerhalb der FDP umstritten. Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hält sie nicht für einen passenden Ersatz für die umstrittene Sicherungsverwahrung. In einem Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk grenzte er sich von Leutheusser-Schnarrenberger ab. Die elektronische Fußfessel sei nur fallbezogen erfolgreich einzusetzen, sagte Hahn. Diese Einschränkung zeige sich im Fall eines verurteilten Sexualstraftäters in Kassel, der trotz polizeilicher Überwachung erneut eine Frau vergewaltigte. DW