Bild, 17.08.2010
Überwachung der Sex-Täter kostet 600 Mio. Euro
Polizeigewerkschaft: „Das stellt uns vor unlösbare Probleme“
Von Franz Solms-Laubach
Die entlassenen Sex-Täter werden teuer für Deutschland!
In der Debatte um die Sicherungsverwahrung hat der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt (53), vor einer Überlastung der Polizei gewarnt. „Die ständige Überwachung ist mit unserem Personal dauerhaft nicht machbar und stellt uns vor unlösbare Probleme“, sagte er zu BILD.de.
Hintergrund: Nach einem Bericht des „Focus“ werden dieses Jahr rund hundert Straftäter aus deutschen Gefängnissen entlassen, die beispielsweise wegen Sexualdelikten oder schwerer Gewaltverbrechen verurteilt worden waren. Grund ist das heftig diskutierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg von Dezember 2009. Es hatte die verlängerten Sicherheitsverwahrungen für einige Sex- und Gewalt-Straftäter für menschenrechtswidrig erklärt.
Insgesamt sind laut „Focus“ rund 300 Gefängnis-Insassen von dem Urteil betroffen.
KOSTEN BIS ZU 600 MIO. EURO
Bei geschätzten Kosten von 80 000 Euro für eine Planstelle bei der Polizei und einer Überwachung von zwölf Monaten im 24-Stunden-Dienst wären laut DPolG-Chef Wendt „die Personalkosten dafür enorm“.
Denn mit der 24-Stunden-Überwachung eines einzelnen aus der Sicherungsverwahrung entlassenen gefährlichen Straftäters seien bis zu 25 Polizisten beschäftigt.
Wendt zur BILD: „Wenn 300 Gefährder aus der Haft entlassen werden sollten, kostet die Überwachung den Staat bis zu 600 Millionen Euro.“
Da von den entlassenen Sex-Tätern nach Einschätzung der Polizei weiterhin eine Gefahr ausgeht, werden sie ja nach dem Ergebnis der auf sie bezogenen Gefährder-Analyse mit bis zu 25 Polizisten rund um die Uhr bewacht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte moniert, dass die Sicherungsverwahrung bei zahlreichen Sexual- und Gewaltverbrechern rückwirkend auf unbegrenzte Zeit verlängert wurde, obwohl bei ihrer Verurteilung eine Verwahrung im Anschluss an die Haftzeit auf maximal zehn Jahre befristet war. Die Frist wurde erst 1998 aufgehoben.
Jetzt stehen hunderte Straftäter vor der Entlassung..
NEUES GESETZ GEFORDERT
Auch Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und sein bayrischer Kollege Joachim Herrmann (CSU) warnten vor zu großen Belastungen für die Polizei.
„Eine solch hohe Zahl von gefährlichen Sexualstraftätern vor der Bevölkerung zu schützen, darf nicht auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden“, sagte Schünemann der BILD.
Die Sicherungsverwahrung dürfe „auf gar keinen Fall durch Polizeiüberwachung ersetzt werden“, meinte auch Herrmann.
Wie Schünemann forderte er die Bundesregierung zum raschen Handeln auf: „Wir brauchen dringend noch in diesem Jahr ein neues Bundesgesetz, um die Freilassung hoch gefährlicher Straftäter zu verhindern.“