(Sächsische Zeitung)
Von Heinrich Löbbers
Ortstermin: In einer Kleiderkammer der Polizei in Chemnitz beendet der sächsische Innenminister das „Einkleidungsprojekt Blaue Uniform“.
Ein Plastron kannte Polizeiobermeisterin Katja Hartmann bisher nicht. Aber es kleidet sie durchaus, findet die 35-Jährige. Jedenfalls besser als bisher die steife Krawatte. Das findet auch der Landespolizeipräsident und der Innenminister sowieso. Auch die ranghohen Herren wussten bisher nichts von Plastrons, aber sie betonen es elegant französisch. Hört sich modisch an. Es handelt sich um einen kurzen, breiten Binder, eine Art Krawattenschal, wie ihn Dressurreiter tragen. Neuerdings gehört es auch zur Uniform sächsischer Polizistinnen wie Katja Hartmann.
Neue Stoffe, neue Passformen
Die zweifache Mutter aus dem Polizeirevier Aue ist auserwählt, als offiziell letzte Polizeibeamtin neu eingekleidet zu werden. Sie ist an diesem Mittwochmorgen in der beige-grünen Montur angetreten, die die bundesdeutsche Polizei seit den 1970er-Jahren mehr oder weniger elegant kleidete. Dann verschwindet die Polizeiobermeisterin kurz in der Umkleide und kommt ganz in Blau zurück. Sie trägt die neue Tuch- und Kostümjacke aus Polyester, Schurwolle und Elastan („einreihig – vier Knöpfe“), Tuchhose mit doppelpaspelierten Seitentaschen und eine wasserabweisende Schirmmütze. „Trägt sich besser“, sagt sie, „und ist auf jeden Fall schicker.“ Seit Ende 2009 wechselt Sachsens Polizei nicht nur die Farbe, sondern auch die Stoffe und die Passform. Nun beendet Innenminister Markus Ulbig im politikerblauen Anzug das „Einkleidungsprojekt Blaue Uniform“.
Es ist keine Feierstunde in der Kleiderkammer der Polizeidirektion Südwestsachsen in Chemnitz, eher ein Termin für die Presse. Zwischen vollen Kleiderständern und Regalen tragen diverse Dienstgrade die neue Kollektion, an die sich andere Reviere längst gewöhnt haben. Zur „Bekleidung für die Linie“, den Straßendienst also, gehört neben dem Diensthemd neuerdings zum Beispiel ein Poloshirt („100 Prozent Polyester, Trevira-bioaktiv, weite Passform“). Endlich! Nicht nur viel bequemer als bisher, sondern auch lässiger, finden die Beamten. Genau wie die Funktionshose mit „vorgeformter Beinform für hohen Tragekomfort“ und „aufgesetzten Seiteneingrifftaschen“. Ein Polizist muss schließlich immer mal was in die Hosentasche tun.
Eine Meisterleistung sei vollbracht, lobt überschwänglich der Minister. Logistisch war es in der Tat eine große Herausforderung, bei der der Nachschub manchmal stockte. Basisdemokratie ist ja sonst eher selten im Polizeiwesen, aber über ihre Uniform durften die Beamten im Jahr 2008 selbst abstimmen, sie entschieden sich klar gegen das hessische und für das brandenburgische Modell. Unternehmen aus Sachsen, Thüringen und Bayern schneiderten für 9600 Polizisten 430000 Einzelstücke in über 700 Varianten und Größen. Macht 15 laufende Kilometer Kleiderständer, hat jemand ausgerechnet. Die alten Uniformen sollen weitgehend vernichtet worden sein. Nicht, dass sie irgendwo secondhand auftauchen.
Natürlich wurde viel diskutiert über das neue Outfit. Die einen sagen so, die andern so. Es heißt, die meisten seien zufrieden. Abschließend befindet nun fachmännisch der Herr Minister: „Unabhängig davon, ob es schick ist, maßgeblich sind die Trageeigenschaften.“ Moderne Polizisten brauchten modernen Bekleidungskomfort, der Dienst sei stressig genug.
Welches Teil aber nun zu welchem Anlass auszuwählen und mit welchem zu kombinieren ist, das regelt die „Verwaltungsvorschrift Erscheinungsbild“. Zum Beispiel darf eine weibliche Bedienstete anstelle der Tuchhose auch den Kostümrock in der „Uniformvariante Stab“ tragen. Zur Strickjacke wird der Unterziehrolli empfohlen und zum langärmligen Hemd ist stets Krawatte zu tragen – oder eben ein Plastron. Schön, wenn man so was schriftlich hat.
Die Waffen bleiben die alten
Zehn Millionen Euro hat der Kleidertausch gekostet. Sonst wird ja viel gespart im Polizeiwesen. Aber auch die Ausrüstung, etwa mit Schusswesten, werde in den nächsten Jahren verbessert, verspricht Landespolizeipräsident Bernd Merbitz. Manche diskutierten sogar bereits über neue Waffen. „Wir kriegen schon laufend Angebote von Firmen“, sagt er. Aber das sei kein Thema. Die alten Heckler & Koch gehen noch gut. Werden ja zum Glück kaum gebraucht. Und die Farbe ist auch egal.