Münchner Abendzeitung, 06.09.2010
Urteil im Brunner-Prozess: Die Reaktionen
Sebastian L. nimmt das Urteil entgegen
Foto: dpa
Markus S. , der Haupttäter im Prozess um Dominik Brunner, wurde zu neun Jahren Haft verurteilt. Sebastian L. muss sieben Jahre hinter Gitter. Die Reaktionen auf das Urteil …
BERLIN – Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat das Urteil im Brunner-Prozess begrüßt. „Das Urteil ist hart und deshalb gut“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Montag laut Mitteilung.
Der Richterspruch sei auch ein „starkes Votum für Zivilcourage“. Der Rechtsstaat müsse zeigen, dass er imstande ist, ein Zeichen zu setzen. Gleichzeitig sei das Urteil ein Signal an die Gesellschaft. „Dominik Brunner hat eben nicht weggesehen, sondern ist eingeschritten, als junge Menschen durch kriminelle Schläger in Gefahr geraten sind. Daran ändert weder sein Herzfehler noch die Art seines Einschreitens etwas“, sagte Wendt weiter.
Auch die Verantwortlichen der Dominik-Brunner-Stiftung zeigten sich erleichtert über das Ende des Prozesses gegen die beiden Peiniger des Geschäftsmanns. „Wir sind froh, dass der Prozess beendet ist“, sagte Stiftungsvorstand Peter Maier am Montag im niederbayerischen Neufahrn. Die vergangenen Monate seien für Familie, Freunde und Weggefährten des Toten eine emotionale Ausnahmesituation und eine starke Belastung gewesen.
„Ob das Urteil angemessen ist oder nicht, möchten und können wir nicht kommentieren. Das ist Sache der Justiz“, betonte Maier. Das Hauptaugenmerk der Stiftung sei von Anfang an nicht auf der Höhe des Strafmaßes für die Täter gerichtet gewesen, sondern darauf, dass sich eine solche Gewalttat nicht wiederhole. „Wir versuchen – soweit dies in diesen Tagen überhaupt möglich ist – den Blick nach vorne zu lenken, um zukünftige Gewalttaten zu verhindern“, sagte der Stiftungsvorstand.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat das harte Urteil gegen die beiden Angeklagten im Brunner- Prozess ebenfalls begrüßt. Der Richterspruch des Landgerichts München sei „ein klares Signal, dass wir brutale Gewalt nicht dulden oder uns gar damit abfinden“, erklärte Herrmann am Montag laut Mitteilung.
Die Welt, RTL-Aktuell, Deutsche Welle u.a. 06.09.2010
Richter sieht Rache als Motiv für Brunner-Mord
Hohe Strafen für die Prügelattacke auf Dominik Brunner. Der Richter befand, Markus S. mordete aus Rache und handelte auf „sittlich niedrigster Stufe“.
Die Täter von Solln vor Gericht
Foto: dpa/DPA Markus S. sagte: „Ich weiß, dass das, was ich getan habe, nicht zu entschuldigen ist und dass ich absolut falsch reagiert habe. Mir tut der Tod des Herrn Brunner so unendlich leid, ich kann es nicht beschreiben.“
Foto: dpa/DPA Er habe zu keinem Zeitpunkt mit dem Tod Brunners gerechnet, geschweige denn diesen gewollt. Er könne sich aber nicht mehr daran erinnern, was genau geschehen ist.
Foto: dpa/DPA Nach eigenen Angaben waren die beiden Angeklagten zur Tatzeit schwer betrunken. Sie sollen bereits nachmittags literweise Bier getrunken haben, anschließend Wodka.
Foto: dpa/DPA Wegen des Blackouts könne er auch nicht ausschließen, dass er zugetreten habe, sagte Markus S.
Foto: dpa/DPA Vor Gericht musste sich auch sein Freund Sebastian L. für den Tod von Dominik Brunner verantworten. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.
Foto: dpa/DPA Laut Anklage sollen sie dem Manager durch Prügel und Tritte 22 schwere und schwerste Verletzungen zugefügt haben. Er starb später im Krankenhaus.
Foto: dpa Zu dem Vorfall kam es, weil Brunner zuvor versucht hatte, vier jüngere Teenager vor einem Erpressungsversuch durch die beiden zu beschützen und sich in den Streit eingemischt hatte.
Foto: dpa Schließlich eskalierte die Situation, als Brunner und die beiden Jugendlichen an der S-Bahnstation Solln ausstiegen.
Foto: dpa/DPA Der Streit geriet außer Kontrolle. Die beiden Angeklagten behaupten allerdings auch, dass Brunner sie provoziert habe. Festgenommen wurden sie nach der Tat jedenfalls im Gebüsch, wo sie versucht hatten, sich zu verstecken.
Foto: dpa/DPA Der Fall von Dominik Brunner hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt und eine Diskussion über Zivilcourage ausgelöst.
Foto: dpa/DPA Insgesamt wurden 53 Zeugen und vier Sachverständige geladen.
Foto: dpa/DPA Verfolgt wurde der Prozess nicht nur von vielen Medien, sondern auch von Oskar Brunner, Vater des ermordeten Dominik Brunner und Nebenkläger. Allerdings nur wenige Tage. Er wurde über den Prozess so krank, dass er der Verhandlung fernbleiben musste.
Knapp ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des Managers Dominik Brunner hat das Landgericht München I die Schläger zu langen Haftstrafen verurteilt, in einem Fall sogar wegen Mordes. Mit seinem harten Urteil folgte das Gericht am Montag annähernd den Forderungen der Staatsanwaltschaft.
Der 19-jährige Haupttäter Markus S. bekam neun Jahre und zehn Monate Haft wegen Mordes. Das Gericht blieb damit nur zwei Monate unter der höchstmöglichen Jugendstrafe. Gegen Sebastian L. (18) verhängte die Jugendkammer sieben Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Nach den Worten des Vorsitzenden Richters Reinhold Baier wollten sich die jungen Männer an Brunner rächen, weil er sich schützend vor die Schülergruppe gestellt hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Haft für Markus S. und acht Jahre für Sebastian L. verlangt. Die Verteidigung hingegen hätte die beiden Angeklagten mit deutlich unter sieben und dreieinhalb Jahren ausreichend bestraft gesehen. Die Verteidiger wollen nun das Urteil anfechten. Bei Markus S. sehen sie vor allem den Mordvorwurf als überzogen an. Für die Anwälte von Sebastian L. hingegen ist die Strafe viel zu hoch.
„Es war kein Mord“, bekräftigte Verteidiger von S., Maximilian Pauls, nach der Urteilsverkündung. So habe das Gericht nicht zuordnen können, welcher Schlag denn zum Herzinfarkt geführt habe, weshalb auch nicht sein Mandant dafür verantwortlich gemacht werden dürfe. Der Verteidiger von L., Roland Autenrieth, sagte, die Strafe für seinen Mandanten sei viel zu hoch ausgefallen. „Wenn das Gericht schon den Mordvorwurf gegen ihn fallen lässt, dann muss sich das ganz anders niederschlagen.“
12. September, 15.45 Uhr: Drei Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren bedrohen an der Münchner S-Bahn-Haltestelle Donnersbergerbrücke vier Schüler. Die drei Jugendlichen fordern 15 Euro von den 13- bis 15-Jährigen und schlagen mindestens einen der beiden Buben in der Gruppe. Geld bekommen sie nicht.
15.58 Uhr: Die S-Bahn in Richtung Solln fährt in den Bahnhof Donnersbergerbrücke ein. Die Schüler steigen ein. Zwei der Angreifer folgen ihnen, der dritte nimmt eine andere Bahn. In der S- Bahn streiten sich die beiden späteren mutmaßlichen Täter. Laut sprechen sie darüber, dass sie von den Schülern Geld wollen, gehen aber nicht auf diese los. Der 50 Jahre alte Dominik Brunner stellt sich schützend vor die vier Jugendlichen und versucht, zu schlichten.
16.00 Uhr: Der 50-Jährige verständigt per Notruf die Polizei. Gleichzeitig bietet er den Schülern an, gemeinsam mit ihm am S-Bahnhof Solln auszusteigen. Eigentlich wollten sie schon vorher aussteigen.
16.09 Uhr: Die S-Bahn hält in Solln. Der Mann steigt mit den Schülern aus, die beiden Angreifer folgen ihnen. Wer dann als erster die Hand zum Schlag hebt, ist unklar. Die beiden Jugendlichen schlagen auf den Mann ein, treten weiter, als er schon am Boden liegt. Er verliert das Bewusstsein.
ca. 16.10 Uhr: Die erste Polizeistreife trifft am Bahnhof ein, die beiden Schläger flüchten und verstecken sich in einem Gebüsch. Wenig später werden sie festgenommen. Ein Notarzt kümmert sich um den 50-Jährigen.
ca. 18.20 Uhr: Wenige Stunden nach dem Angriff stirbt der Manager aus Niederbayern im Krankenhaus. Bis in die frühen Morgenstunden vernimmt die Polizei die Beschuldigten und Zeugen.
Es folgen die Ermittlungen:
13. September: Gegen die beiden Hauptbeschuldigten wird Haftbefehl erlassen. Der dritte Jugendliche, der nicht an der Attacke auf den Geschäftsmann beteiligt war, wird festgenommen. Der 17-Jährige wird in einem Haus des Drogenhilfevereins Condrobs festgenommen, wo er wie der andere 17-Jährige lebte.
13. Juli: Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München I räumen Sebastian L. und Markus S. die Schlägerei ein, bestreiten aber jede Tötungsabsicht. Die wegen Mordes angeklagten Jugendlichen entschuldigen sich und berichten, dass sie viel Alkohol getrunken hätten. Brunner habe zuerst zugeschlagen.
17. Juli: Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass Brunner nicht direkt an den Verletzungen durch die massiven Schläge und Tritte starb, sondern an Herzstillstand. Am Mordvorwurf gegen Sebastian L. und Markus S. hält sie fest.
20. Juli: Der S-Bahn-Zugführer sagt, er habe Brunner für den Angreifer gehalten. Er war trotz der Auseinandersetzung weitergefahren.
26. Juli: In einer verlesenen Erklärung von Brunners Vater, der Nebenkläger ist, heißt es, Dominik Brunner sei kerngesund und sozial eingestellt gewesen.
27. Juli: Brunners Handy war während der Tat mit der Polizei verbunden. Der Mitschnitt wird vor Gericht vorgespielt, aus Sicht der Staatsanwaltschaft unterstreicht er den Mordvorwurf.
29. Juli: Nach Aussage eines Rechtsmediziners hätte Brunner die brutalen Schläge überlebt, wenn er ein gesundes Herz gehabt hätte. Allerdings hätte er direkt an den Tritten sterben können. Und er würde noch leben, hätte es die massive Gewalt nicht gegeben.
2. August: Ein Psychologe bescheinigt Markus S. eine mangelnde Reife. Da er zur Tatzeit 18 Jahre alt war, kann das Gericht je nach persönlicher Reife entscheiden, ob es Jugend- oder Erwachsenen- Strafrecht anwendet.
4. August: Die Angeklagten sind nach Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen voll schuldfähig.
24. August: Gegen den mutmaßlichen Haupttäter Markus S. hält die Staatsanwaltschaft am Mordvorwurf sowie dem der versuchten räuberischen Erpressung gegen vier Schüler fest. Dafür verlangt sie die höchstmögliche Jugendstrafe von zehn Jahren. Für Sebastian L. fordert sie wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie versuchter räuberischer Erpressung acht Jahre Haft.Die Anwälte der Nebenklage fordern ebenfalls zehn und acht Jahre Haft.
6. September: Das Gericht verurteilt den 19-jährigen Markus S. wegen Mordes zu neun Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Gegen den 18-jährigen Sebastian L. verhängte das Landgericht München I sieben Jahre Gefängnis wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge.
Am 12. September 2009 hatten die beiden jungen Männer eine Gruppe Teenager in der Münchner S-Bahn bedroht und angekündigt, sie auszurauben. Brunner beobachtete dies, rief die Polizei und stellte sich schützend vor die Schüler. „Er hörte nicht weg“, sagte Baier in der Urteilsbegründung. „Die Angeklagten, die sich gemeinsam stark fühlten, fragten beleidigend, warum er, „der Spastiker“, sich einmische.“
An dem Bahnsteig am S-Bahnhof Solln habe sich Brunner „wie ein menschliches Schutzschild“ vor die verängstigten Schüler gestellt und dann aus Notwehr als erster zugeschlagen. „Brunner durfte von einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der beiden Angeklagten ausgehen.“ Die beiden seien gemeinsam brutal auf ihn losgegangen. Markus S. trat ihn gegen den Kopf und gegen den Bauch, als er bereits am Boden lag – beide Tritte hätten Gutachtern zufolge lebensgefährlich sein können.
Während Sebastian L. Brunner nur habe verletzen wollen, habe Markus S. als der Aggressivere den Tod Brunners in Kauf genommen. „Sein Verhalten steht auf sittlich niedrigster Stufe. Wäre er erwachsen, hätte das Gericht eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen müssen“, sagte Baier.
Sebastian L. habe während der Schlägerei versucht, seinen Freund von dem am Boden liegenden 50-Jährigen wegzuziehen. „Ohne seine Billigung trat Markus S. Brunner wuchtig“, sagte Baier und begründete damit das mildere Urteil für den Jüngeren der beiden. Zudem habe er im Prozess aufrichtige Reue gezeigt. Bei Markus S. hingegen fehle dieses Bewusstsein bis heute. Noch in der Untersuchungshaft habe er Unverständnis geäußert, warum sich Brunner eingemischt habe.
Brunner starb schließlich nicht an den Verletzungen, sondern an einem Herzstillstand infolge der Schläge. Er hatte ein krankes Herz, ohne davon zu wissen. Brunners Vater Oskar, der im Prozess als Nebenkläger aufgetreten war, erschien zur Urteilsverkündung nicht. Seit dem Tod seines Sohnes gehe es ihm psychisch und physisch schlecht, berichtete die Anwältin des 80-Jährigen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wertete das Urteil als klares Signal, dass Gewalt nicht geduldet werde. „Dominik Brunner hat in einer für die damaligen Opfer äußerst brisanten Lage unerschrocken geholfen und ist ein Vorbild für Zivilcourage.“ Der Richterspruch sei „hart und deshalb gut“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Dominik Brunner hat eben nicht weggesehen, sondern ist eingeschritten, als junge Menschen durch kriminelle Schläger in Gefahr geraten sind. Daran ändert weder sein Herzfehler noch die Art seines Einschreitens etwas.“