Zahl der Straftaten 2010 hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 3,7 Prozent erhöht
Burgstädt. Sie fielen auf zur jüngsten Stadtratssitzung in Burgstädt: zwölf junge Leute – die Haare zum Teil buntgefärbt, Piercings, Stiefel und auffällige Kleidung. Stadtrat Ralf Jerke (Linke) hatte die bunte Truppe zur öffentlichen Sitzung eingeladen. Denn die jungen Leute wollten über „die zunehmenden Übergriffe von Schlägern aus der rechten Szene“ aufmerksam machen und um Hilfe bitten.
Da es kein Rederecht außerhalb der Bürgerfragestunde gab, blieben ihre Probleme ungehört. Gegenüber der „Freien Presse“ äußerten die Jugendlichen ihren Unmut. Ihre Namen wollten sie nicht nennen, weil sie „Racheakte“ befürchten.
Bürgermeister Lars Naumann (Freie Wähler, FWB) begründete das Rede-Verbot mit der Sitzungsordnung des Stadtrates. „Aber ich kenne die Probleme der Jugendlichen. Es wird ein Gespräch mit mir geben“, versicherte er. Auch der Chef des Polizeireviers Rochlitz, Jens Rödel, der an diesem Abend die Kriminalitätsstatistik bekannt gab, versprach Gesprächsbereitschaft. Denn er sei interessiert daran, dass die Zahl der Gewalttaten in Burgstädt zurück gehe. Denn: Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich 2010 die Zahl der Straftaten um 3,7 Prozent. Voriges Jahr hatte es mit 80 Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit 13 mehr Fälle gegeben als 2009. Statistisch gesehen geschehe so ein Übergriff zweimal pro Woche. Dabei stieg die Anzahl der Körperverletzungen um 10,4 Prozent auf 53 Vorfälle. Das widerspricht dem Trend in der Region. Im Landkreis Mittelsachsen sei die Anzahl dieser Delikte um 3,5 Prozent zurückgegangen, sagte Rödel. 2010 wurden 353 Tatverdächtige ermittelt, das sind 15,7 Prozent mehr als im Vorjahr, so Rödel. Der Anteil der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenen lag in Burgstädt bei 34,6 Prozent und ist höher als die Durchschnittswerte des Bereiches der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge (21,5 Prozent) und des Landkreises Mittelsachsen (23,1 Prozent).
Jetzt wird nach Ursachen gesucht. Den Personalabbau bei der Polizei kritisierte Stadtrat Bernd Winkler (FWB). Er befürchtet, dass damit künftig an der Prävention, also der Verhütung von Straftaten, gespart werde. Polizei-Chef Rödel: „Bisher hatten wir eine Luxus-Prävention. Kindereinrichtungen und Schulen sind in der Pflicht, sie sollten mehr aus eigener Kraft für die Prävention tun.“
Stadtrat Christian Flechsig (FWB) forderte, dass die Polizei die Arbeit an den Kindereinrichtungen weiter fachlich begleiten sollte. Das geschehe künftig auch, versprach Rödel. Die gute Präventions-Arbeit lobte auf „Freie Presse“-Nachfrage Norbert Fellbrich, Chef der Diesterweg-Mittelschule. Projekttage zur Gewalt und Drogenkriminalität seien bei Achtklässlern sehr gut angekommen. Ein Elternforum sei hilfreich in der Erziehungsarbeit gewesen.
„Präventions-Arbeit darf nicht wegfallen, das hätte fatale Folgen“, sagte er. Zu Jugendsachbearbeiter Jens Thiele vom Revier Rochlitz bestehe eine gute Verbindung, die wolle er nicht missen. Der konnte noch nicht sagen, inwieweit die Präventions-Arbeit zurückgeschraubt werde. „Es wird Einschnitte geben, aber wie die konkret aussehen, kann jetzt noch nicht gesagt werden“, erklärte Polizeisprecher Thomas Knabe. Nach den Vorstellungen des Innenministeriums sollen in den kommenden zwölf Jahren landesweit 2600 Stellen bei der Polizei auf dann 11.300 Stellen abgebaut werden. Ziel ist es, die Polizeistärke in Sachsen an den Durchschnitt westdeutscher Länder anzupassen, von jetzt einem Polizisten pro 359 Einwohner auf dann 405 Einwohner.
Die hohe Jugendkriminalität erklärte Bürgermeister Lars Naumann (Freie Wähler) mit der hohen Anzahl von Jugendlichen, die in der Stadt ihre Ausbildung erhalten oder betreut werden. „Das soll keine Entschuldigung sein, aber täglich halten sich etwa 2000 Kinder und Jugendliche bei uns auf – in überregionalen Schulen, im Jugendklub, im Sportzentrum Taurastein. Es liegt in der Natur der Sache, dass da mehr passiert als in Orten, wo es weniger junge Leute gibt“, sagte er. Dabei stammten die jugendlichen Straftäter nicht alle aus Burgstädt. Naumann distanziere sich aber davon, dass es sich bei den tätlichen Auseinandersetzungen öfters um politisch motivierte Straftaten handle, wie die Fraktion der Linken behaupte. „Das sind Randalierer, Schläger, meist spielt Alkohol eine Rolle“, so Naumann. Das sieht Ralf Jerke von den Linken anders: „Wenn Jugendliche rechte Parolen grölen und andere zusammenschlagen, weil sie eine linke Gesinnung haben, ist das für mich eindeutig“, erklärte der Stadtrat. In der Polizei-Statistik wird laut Revierleiter Jens Rödel aber nicht auf den politischen Hintergrund eingegangen. Doch Burgstädt sei sicher und kein Pflaster für politisch motivierte Straftaten.
Das Landratsamt Mittelsachsen hatte voriges Jahr Burgstädt als Brennpunkt rechter Gewalt eingestuft. Das konnte aber aus polizeilicher Sicht nicht bestätigt werden, wie ein Sprecher sagte.
erschienen am 10.06.2011 ( Von Bettina Junge )
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