Konsequenz nach Massen-Datenspeicherung
Sachsens Innenminister Markus Ulbig hat den Dresdner Polizeipräsidenten Dieter Hanitsch abberufen. Das sagte Ulbig MDR 1 RADIO SACHSEN am Rande einer Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss des Landtages. Er zieht damit die Konsequenzen aus der massenhaften Speicherung von Handydaten im Februar in Dresden. Ulbig sagte, er habe sich über die Aktion schlecht informiert gefühlt. Innen- und Justizministerium hatten davon erst aus der Presse erfahren.
Er muss seinen Hut nehmen – der Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Innenminister Ulbig begründete die Entscheidung mit „Informationsdefiziten“.
Der 55-jährige Hanitsch wird laut Ministerium mit sofortiger Wirkung in die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste in Dresden versetzt. Sein Nachfolger wird Dieter Kroll, der bisher Chef der Polizeidirektion Südwestsachsen war. Für Kroll rückt Jürgen Georgie nach, der bisher die Zentralen Dienste leitete.
SPD-Fraktion sieht Abberufung kritisch
Opposition fordert weitere Aufklärung und Konsequenzen
Für die Opposition geht die Personalentscheidung nicht weit genug. Linke-Fraktionschef André Hahn bezeichnete die Abberufung zwar als „längst überfällig“. Hanitsch habe aber mit der Ausspähung nur am Rande zu tun gehabt. Maßgeblich verantwortlich sei die Dresdner Staatsanwaltschaft, sagte Hahn. Sie habe die „weder erforderliche noch zweckmäßige und in jedem Fall unverhältnismäßige“ Datenerfassung beantragt. Das müsse Konsequenzen haben.
Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi sieht in der Personalie Hanitsch allenfalls die Spitze des Eisberges. Die Abberufung dürfe nicht verhindern, dass die gesamte Aktion aufgeklärt wird. „Innen- und Justizminister sollen endlich die ganze Wahrheit auf den Tisch legen“, forderte Lichdi. „Es verstärkt sich mein Eindruck, dass nur das zugegeben wird, was bereits in die Öffentlichkeit gedrungen ist.“ SPD-Innenpolitikerin Sabine Friedel sagte, Hanitsch sei ein „Bauernopfer“. Noch ehe der Landtag nähere Informationen habe, werde „ein
Sündenbock präsentiert“.
• SPD-Fraktionschef nennt Versetzung inkonsequent
Mehr als eine Million Handydaten wurden gesammelt.
Ablauf der Überwachung immer noch unklar
Nach dem am Freitag vorgelegten Sonderbericht haben sich am Montag auch die Rechts- und Innenausschüsse des Landtages in einer gemeinsamen Sondersitzung mit dem Thema befasst. Einzelheiten aus der nicht öffentlichen Sitzung sind bislang nicht nach außen gedrungen. Grünen-Politiker Lichdi erklärte im Anschluss nur, dass weder Innenminister Ulbig noch Landespolizeipräsident Bernd Merbitz ausschließen wollten, dass es bei dem Polizeieinsatz am 19. Februar zu einer Echtzeitüberwachung der Telefonverbindungen gekommen ist.
Innenminister Ulbig verteidigte am Montag dennoch erneut das Vorgehen der Polizei. Ziel sei die Aufklärung von schweren Gewaltdelikten gewesen, sagte der CDU-Politiker. Dazu seien die entsprechenden technischen Mittel eingesetzt worden. Ulbig mahnte zugleich eine sachliche Diskussion an.
Innenminister Ulbig in Erklärungsnot – der Sonderbericht ist heute Thema im Landtagsausschuss.
Mehr als eine Million Datensätze erfasst
Die Polizei hatte im Februar nach Kundgebungen gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden mehr als eine Million Handydatensätze erfasst und teilweise ausgewertet. Zehntausende Menschen waren betroffen, darunter auch friedliche Demonstranten und Anwohner. Am vergangenen Freitag hatten Innenminister Ulbig und Justizminister Jürgen Martens (FDP) einen Sonderbericht zu der Aktion vorgelegt.
Dabei erklärte Ulbig, grundsätzlich sei die Erfassung rechtmäßig gewesen. In 45 Fällen seien jedoch Daten zu Unrecht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden. Dabei habe es sich um Teilnehmer einer Blockade gegen den Nazi-Aufmarsch gehandelt. Dieser Verstoß gegen das Versammlungsgesetz sei zunächst als „schwerwiegende Straftat“ bewertet worden. Später haben die Ermittler laut Bericht diese Ansicht korrigiert.
Zuletzt aktualisiert: 27. Juni 2011, 16:49 Uhr