Bild, 03.08.2010
Duisburgs OB Sauerland gilt als Hauptschuldiger der Loveparade-Katastrophe Das Protokoll der Versager
Doch ein Dokument zeigt: keiner der Beteiligten hatte Bedenken
Von F. DEÁKY, C. WITTE und F. SCHNEIDER
Viele sehen in IHM den Hauptschuldigen für die Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten: Seit dem Unglück steht Duisburgs OB Adolf Sauerland (55, CDU) im Kreuzfeuer der Kritik. Auch von Polizei und Feuerwehr wird er attackiert.
Doch jetzt zeigt ein Sitzungsprotokoll, dass diese kurz vor der Loveparade KEINE Sicherheitsbedenken mehr äußerten.
Klar ist: Bislang weigert sich der OB, die politische Verantwortung zu übernehmen, will nicht zurücktreten, sich allenfalls einem Abwahlverfahren stellen.
Aber: Ist Sauerland wirklich der Hauptschuldige? Das Protokoll einer Planungsbesprechung vom 15. Juli (Teilnehmer u.a.: Polizei, Lopavent, Feuerwehr, Bundespolizei) wirft Fragen auf. Aus dem Dokument geht hervor, dass Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe am Ende der Sitzung darum bat, eventuelle Bedenken zu äußern. „Es gab keine Meldungen“, heißt es im Protokoll.
Rainer Wendt (53) , Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, war schnell dabei. Schon am Tag nach dem Unglück: „Der Polizei vor Ort ist sicherlich kein Vorwurf zu machen.“ Doch stimmt das?
Wie BILD erfuhr, übernahmen schon über eine Stunde vor der Katastrophe Polizisten das Kommando im Tunnel und auf der Rampe. Gegen 15.45 bzw. 15.55 Uhr riegelten Polizeiketten die Tunnelzugänge ab, um 16.01 Uhr stellte sich auf der Rampe eine Polizeikette quer. Genau in Höhe der Treppe, die später vielen Opfern zum Verhängnis wurde. Die Kette blockierte abfließende und ankommende Besucher.
Als die Beamten die Kette um 16.40 Uhr aufgeben mussten, hatten sich auf beiden Seiten tausende Menschen aufgestaut. Nach BILD-Informationen wusste der verantwortliche Sicherheits-Koordinator im Container am Unglückstunnel nichts von der Polizeikette auf der Rampe. „Da sollte niemand stehen!“
Ein Polizist beschreibt einen weiteren Fehler: „Der zweite Ausgang war entgegen der Planung geschlossen, die Gittertrennung von kommenden und gehenden Gästen fehlte völlig. Als wir kamen, war es bereits zu spät. Da war die wogende, panische Masse nicht mehr zu kontrollieren.“ Im Klartext: Das Sicherheitskonzept wurde gar nicht umgesetzt.
Vor diesem Hintergrund wächst in Duisburg der Unmut über Schuldzuweisungen durch die Polizei. Frank Heidenreich (42), überregionaler CDU-Fraktionschef und Ratsherr: „Sollte sich herausstellen, dass die Polizei eine erhebliche Mitverantwortung an dem Unglück hat, dann muss sich Herr Wendt auch an seinen eigenen Worten messen lassen.“