BILD, 04.08.2011

KINDERMÖRDER BEKOMMT 3000 EURO ENTSCHÄDIGUNG

„Falsches Signal“+++ „Schlag ins Gesicht der Eltern“ +++ „Nur Jakob musste Folter erleiden“
Er tötete ein Kind Urteil im Schmerzensgeld-Prozess 04.08.2011 — 14:06 Uhr
Frankfurt/M. – Es ist ein Urteil, das fassungslos macht: Kindermörder Magnus Gäfgen (35) bekommt 3000 Euro Entschädigung vom Land Hessen – weil die Polizei dem Entführer Folter angedroht hatte, um das Leben des elfjährigen Jakob von Metzler zu retten. Bei Politikern, Polizeigewerkschaft und Opferverbänden sorgt das Urteil für Entsetzen.
„Dass hier ein Mörder eine Entschädigung bekommt, ist für mich völlig unverständlich“, sagte Wolfgang Bosbach (CDU) zu BILD, der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag. Die Entscheidung sei ein „Schlag ins Gesicht der Eltern und Angehörigen des Opfers“.
Gäfgen hatte geklagt, weil der damalige Vize-Polizeipräsident von Frankfurt/Main, Wolfgang Daschner, dem Entführer Schmerzen angedroht hatte, wenn er den Aufenthaltsort seines Opfers nicht nenne.
Für Bosbach stellt das Verhalten des Polizeibeamten eine „unauflösbare Pflichtenkollision“ dar. „Das Folterverbot der Strafprozessordnung stand hier gegen die Pflicht zur Lebensrettung. Dass Herr Daschner der Lebensrettung Vorrang eingeräumt hat, daraus sollte man ihm keinen Vorwurf machen“, sagte Bosbach.
Der CDU-Politiker zu BILD: „Die einzige Folter, die es gegeben hat, musste Jakob von Metzler erleiden und mit dem Leben bezahlen.“
Auch der Opferverband „Weißer Ring“ kritisierte das Urteil scharf. Die Entscheidung des Frankfurter Landgerichts sei nicht nachvollziehbar, sagte der Sprecher des Vereins, Veit Schiemann.
Es dürfe nicht übersehen werden, dass der Begriff „Todesangst”, auf den sich Gäfgen berufen habe, viel stärker mit dem ermordeten Kind zu tun haben sollte.
Harsche Kritik auch von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG): „Das Urteil lässt die eigentliche ungeheuerliche Tat – die Ermordung eines Kindes – in den Hintergrund treten”, sagte der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt.
Der Täter habe sich mit der Klage als Opfer dargestellt – und diesem Ansinnen sei die Justiz mit dem Urteil nachgekommen, kritisierte Wendt. Die Entschädigungszahlung an Magnus Gäfgen sei ein völlig „falsches Signal“.
Das Landgericht Frankfurt sprach dem Kindermörder am Donnerstagvormittag eine Geldentschädigung in Höhe von 3000 Euro plus Zinsen zu. Eine Klage auf Schmerzensgeld wiesen die Richter dagegen ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

n-tv.de, 04.08.2011
„Widerlich und abstoßend“Mörder Gäfgen bekommt Entschädigung

Das Land Hessen muss dem Mörder Magnus Gäfgen 3000 Euro Entschädigung plus Zinsen zahlen. Dies geht aus einem Urteil des Frankfurter Landgerichts hervor. Gäfgen hatte 2002 den Bankierssohn Jakob von Metzler ermordet. Die Polizeigewerkschaft nennt das Urteil einen „absoluten Skandal“ und rät Gäfgen, sich „in seiner Zelle zu verkriechen“.
Der Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler wird für im Polizeiverhör erlittene Misshandlungen entschädigt werden. Das Frankfurter Landgericht verurteilte das Bundesland Hessen zur Zahlung von 3000 Euro zuzüglich Zinsen an den 36-jährigen Magnus Gäfgen, der für den Mord vor knapp neun Jahren eine lebenslange Haftstrafe verbüßt.
Von den Prozesskosten müsse Gäfgen allerdings vier Fünftel übernehmen, das Land müsse ein Fünftel tragen, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Hefter. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Ein Befangenheitsantrag gegen die Richter sei abgelehnt worden.
In dem Verhör am 1. Oktober 2002 hatte die Polizei von Gäfgen den Aufenthaltsort des elfjährigen Jungen erfahren wollen, der wenige Tage zuvor entführt worden war. Der Vernehmungsbeamte hatte Gäfgen nach unbestrittenen Aussagen mit „unvorstellbaren Schmerzen“ gedroht, sollte er den Aufenthaltsort des Jungen nicht verraten. Erst später stellte sich heraus, dass Gäfgen das Kind bereits getötet hatte.
Das Vorgehen der Ermittler sei eine „schwerwiegende Rechtsverletzung“ und könne nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden als durch die Zahlung einer Entschädigung, so Richter Hefter. Beide Polizisten hätten mit ihren Drohungen vorsätzlich gehandelt und nicht alle übrigen Wege ausgeschöpft, um Gäfgen zum Reden zu bringen. Das Gericht blieb mit seinem Urteil hinter den Forderungen Gäfgens zurück, der 10.000 Euro Schmerzensgeld sowie Schadenersatz wegen Folterdrohungen gefordert hatte. Die Beamten, die Gäfgen im Verhör Gewalt androhten, waren bereits 2004 zu Geldstrafen auf Bewährung verurteilt worden.
Polizeigewerkschaft empört
Entsetzt reagierte die Polizeigewerkschaft auf die Entscheidung für eine Entschädigung zugunsten des verurteilten Kindsmörders Magnus Gäfgen. „Es ist ein absoluter Skandal, dass ein selbstverliebter Gewaltverbrecher und Kindsmörder jetzt auch noch Geld bekommt“, sagte der hessische Vorsitzende Heini Schmitt. „Wir finden es widerlich und abstoßend, dass Gäfgen immer wieder auf andere zeigen und bei staatlichen Institutionen auf Unterstützung hoffen kann.“
Schmitt sagte weiter, Gäfgen solle sich „in seiner Zelle verkriechen und schweigen. Er soll endlich anfangen sich damit auseinanderzusetzen, dass er aus reiner Habgier und Selbstsucht ein Kind grausam ermordet und eine ganze Familie ins Unglück gestürzt hat.“
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, zeigte sich ebenfalls befremdet von dem Urteil. „Ich habe für die Entscheidung kein Verständnis, denn zunächst einmal sind die elementarsten Menschenrechte des jungen Jakob von Metzler in ganz gravierender Weise beeinträchtigt worden“, sagte Bosbach bei n-tv. Der Polizist, der dem Mörder gedroht habe, habe das nicht getan, um ein Geständnis zu erpressen. Vielmehr sei es eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr gewesen. „Die Gefahr wurde von dem Täter selbst heraufbeschworen. Dass er dafür noch Schmerzensgeld bekommt, ist für mich nicht verständlich.“
Auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring kritisiert das Urteil. Gäfgen habe keine Entschädigung gebraucht, eine Ermahnung an das Land Hessen hätte auch gereicht, sagte Veith Schiemann bei n-tv. Gäfgen habe „jetzt seine Show wieder gehabt“, die Justiz müsse sich in Verfahren künftig vielmehr auf die Opfer konzentrieren.
Lebenslüge zusammengebrochen
Gäfgens Anwalt Michael Heuchemer zeigte sich durch das Urteil bestätigt. „Es wurde ein Signal jedenfalls gesetzt, dass die Verletzung von Menschenrechten auch Folgen zeitigen muss, merkliche Folgen“ sagte Heuchemer bei n-tv. Es zeige, das in Deutschland Menschenwürde, Folterverbot und Gleichheit aller vor Recht und Gesetz gelten würden, „auch für Verurteilte“. Nun wolle er erstmal das Urteil in aller Ruhe prüfen.
Gäfgens Anwalt hatte zuletzt noch einen Befangenheitsantrag gegen die zuständige Kammer gestellt. Die Kammer habe sich bereits vorab festgelegt, ohne wichtige Unterlagen zu berücksichtigen, hatte der Anwalt argumentiert. Den Antrag wies das Gericht kurz vor der Urteilsverkündung zurück. Der Jurist habe diesen nur „rechtsmissbräuchlich“ eingesetzt. Gäfgens Anwalt sagte dazu, das Urteil sei „bereits dem Tode geweiht“. Das Gericht sei mit dem Befangenheitsantrag falsch umgegangen.
Seine Schmerzensgeldforderung begründet Gäfgen mit psychischen Spätfolgen, unter denen er wegen der Folterdrohungen leide. Ein Gutachter hatte aber nicht eindeutig sagen können, ob Gäfgens Probleme vor allem darin wurzelten, denn immerhin sei seine Lebenslüge zusammengebrochen, die Lebensperspektive zerstört und er habe den Tod eines elf Jahre alten Opfers miterlebt.

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