Berliner Morgenpost, 20.05.2010
Nach Flucht aus Heim: Fahnder stellen brutale Jugendbande
Donnerstag, 20. Mai 2010 02:14 – Von Michael Behrendt
Sechs Tage nach der Flucht aus einer brandenburgischen Jugendhilfeeinrichtung konnten am Dienstag drei entflohene Straftäter von der Polizei gefasst werden. Gestern wurden ihnen die Haftbefehle verkündet – und diesmal wurde die Untersuchungshaft angeordnet.
Wie berichtet, stehen die drei jungen Männer im Alter von 16 und 17 Jahren in Verdacht, im April und Mai gemeinsam mehrere Raubtaten und Körperverletzungen begangen zu haben. In einem Fall hatten sie ein weibliches Opfer in Wilmersdorf besonders hinterhältig und brutal attackiert: In der Nacht vom 29. auf den 30. April wurde eine 41 Jahre alte Frau an der Düsseldorfer Straße mit einer Holzstrebe eines Treppengeländers niedergeschlagen und anschließend beraubt. Bei der Flucht vom Tatort soll der 16-Jährige zudem einen Passanten niedergeschlagen haben, vor dessen Zeugenaussage er sich fürchtete. Aussagen der mutmaßlichen Komplizen belasten Nico K. in diesem Punkt schwer.
Doch bereits wenige Tage später sollen die drei eine Tat begangen haben, die sich als Initialzündung für die Fahndung entwickeln sollte: An der Gleimstraße wurde ein 26-Jähriger überfallen und seiner zwei Mobiltelefone, seines Digitalcamcorders und seiner Geldbörse beraubt. Dabei war der Mann mit einem Messer bedroht und zusammengeschlagen worden. Auf einer Lichtbildkartei beim Landeskriminalamt erkannte das Opfer schließlich die Täter wieder. Sie gelten zwar noch nicht als sogenannte Intensivtäter, sollen nach Informationen der Berliner Morgenpost jedoch bereits mehrere Raubtaten auf vergleichbar brutale Weise begangen haben. Intensive Ermittlungen führten schließlich zu Nico K. sowie zu den beiden 17-jährigen Steffen G. und Tobias L. Sie wurden am 11. Mai von Beamten der Polizeidirektion 3 festgenommen und den Justizbehörden überstellt. Sie hatten bei den Vernehmungen Teilgeständnisse abgelegt, zudem waren bei ihnen Teile der Beute sichergestellt worden. Allerdings war der Bereitschaftsrichter nicht der Forderung des Staatsanwaltes nach einer Unterbringung in der Untersuchungshaft gefolgt. Die drei wurden in die Obhut der Jugendhilfeeinrichtung Frostenwalde in der Uckermark übergeben. Doch bereits auf dem Weg dorthin gelang dem 16-Jährigen am 12. Mai die Flucht aus dem Transporter, seine beiden 17 Jahre alten Komplizen entkamen am Folgetag aus der Einrichtung.
Nach Angaben eines Kriminalbeamten kann eine Unterbringung in einer solchen Einrichtung angeordnet werden, um die Untersuchungshaft zu vermeiden – dann würden die Betroffenen auch nicht an Händen und Füßen gefesselt. Anschließend wurden Zivileinheiten der Berliner Polizei mit der Suche des gewalttätigen Trios beauftragt, am Dienstag dieser Woche hatten sie dann Erfolg: Zunächst wurde einer der beiden 17-Jährigen gegen 7 Uhr in einer Weddinger Wohnung festgenommen, anschließend stellten die Fahnder gegen Mittag den Gleichaltrigen im selben Bezirk. Der dritte Täter wurde am Dienstag dann gegen 18 Uhr in Wedding aufgegriffen.
Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft in Berlin, Bodo Pfalzgraf, hatte nach Bekanntwerden der Justizpanne geschlossene Unterbringungsmöglichkeiten gefordert, aus denen solchen Jugendlichen die Flucht nicht möglich sei. Er forderte zudem Konzepte, damit die „Täter später wieder auf die Menschheit losgelassen werden könnten“.