Tagesspiegel
Polizei: Politik gefährdet Sicherheit in Deutschland
Die Belastung der Polizisten hat nach Ansicht der Polizeigewerkschaft DPolG im Jahr 2010 „alle bisher gekannten Grenzen gesprengt“. Die Gewerkschaft spricht von Vertrauensverlust und Erschöpfungszuständen bei Polizisten.
Berlin – Die Beamten seien „teilweise bis zur Erschöpfung“ gefordert gewesen, erklärte DPolG-Chef Rainer Wendt am Mittwoch in Berlin. Die Gewerkschaft erinnerte unter anderem an den verstärkten Einsatz aufgrund von Terrordrohungen sowie an die Großdemonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 und den Castor-Transport. Hinzu kämen Fußballeinsätze, der 1. Mai und andere Großdemos, die Loveparade sowie Rockerkriminalität. Wendt griff die Politik angesichts der hohen Belastung der Beamten scharf an. Die Kollegen seien „empört und verbittert“. Statt echter Anerkennung bekämen die Polizisten „nur leere Worte und Beteuerungen der Hochachtung“.

Das Ansehen der Politik sei bei den Polizisten „im freien Fall“. Laut DPolG kamen allein bei den Castor-Transporten rund 20.000 Beamten zum Einsatz, einige davon waren bis zu 30 Stunden am Stück im Dienst. Mit Ausnahme der Bundespolizei wurden fast in allen Bundesländern Stellen gestrichen. Und der Abbau geht laut DPolG weiter. So sollen in Ostdeutschland 30 Prozent der Vollzeitstellen, rund 9600, in den nächsten Jahren abgebaut werden. Deshalb warnte Wendt: „Die Bevölkerung wird sich zusehends auf lange Wartezeiten einstellen müssen, etwa nach einem Verkehrsunfall, einem Wohnungseinbruch oder Sachbeschädigung.“ Deutschland sei ein sicheres Land, „aber die Politik tut vieles daran, diesen Standortvorteil zu verspielen“.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), teilt die Auffassung. „Die Polizei ist nicht nur an ihre Grenzen gelangt, sie hat sie mittlerweile überschritten“, sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Man müsse aufpassen, dass „die Polizei nicht irgendwann kapituliert, weil sie nicht mehr für Sicherheit sorgen kann während einer Demonstration“. Überdies gebe es eine massive Kollision mit dem Grundgesetz und dem dort festgeschriebenen Demonstrationsrecht. Den Vertrauensverlust in die Politik könne er nachvollziehen. „Wir müssen Wort und Tat wieder hundertprozentig in Übereinstimmung bringen.“ Es könne nicht sein, dass man sonntags die Arbeit und Bedeutung der Polizei betont und montags das Weihnachtsgeld kürzt. Bosbach kritisierte vor allem die Personalentwicklung der Berliner Polizei. „Hier hat es in den vergangenen zehn Jahren den massivsten Stellenabbau gegeben.“ Allein die Hälfte aller abgebauten Stellen in den 16 Bundesländern fielen auf Berlin und Nordrhein-Westfalen.

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