(ine)
Freitag, 4. Februar 2011
(Sächsische Zeitung)
Jeden Tag ein Gewaltopfer unter Polizisten
Von Gunnar Saft
Im Dienst sind die Beamten immer häufiger Angriffen ausgesetzt. Der Landtag prüft nun, was für einen besseren Schutz nötig ist.
Wie brisant das Problem von gewalttätigen Angriffen auf Polizisten wirklich sei, wollten gestern Abgeordnete während einer Anhörung im sächsischen Landtag wissen. Joachim Klar, Leiter der Polizeidirektion Oberes Elbtal/Osterzgebirge, schilderte einfach zwei Vorfälle dieser Tage: Ein Beamter sei erheblich verletzt worden, als er mit einem Kollegen einen Streit zwischen einer Frau und deren Lebensgefährten schlichten wollte. Ein anderer Polizist trug Verletzungen davon, als ihn ein Ladendieb, der seine Personalien nicht preisgeben wollte, plötzlich brutal angriff.
Nichts Ungewöhnliches. Zuletzt gab es allein in einem Jahr sachsenweit 2206 Angriffe auf Polizisten. Die Zahl der dabei verletzten Beamten stieg auf 353. Fast täglich, so die Statistik, wird heute im Freistaat ein Polizist Opfer von Gewalt.
Die meisten Attacken, so Joachim Klar, erfolgen nicht bei Demonstrationen oder Spezialeinsätzen, sondern während des täglichen Streifendienstes. 60 Prozent der Angreifer stünden unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen. Das erkläre auch die oft gezeigte Brutalität sowie den Umstand, dass immerhin jeder zehnte Angriff selbst noch im Streifenwagen oder im Gewahrsam auf dem Polizeirevier erfolge.
Täter länger in den Knast?
Die Anhörung ergab auch, dass die Region um Leipzig mit etwa 20 Prozent dieser Gewaltdelikte ein landesweiter Schwerpunkt ist. Der Anteil von Ausländern unter den Tätern ist dagegen gering. In 96,5 Prozent der Fälle prügeln Deutsche auf die Polizisten ein. Und obwohl der größte Teil der Attacken aufgeklärt werden kann und damit auch oft vor Gericht endet, ist jeder zweite Angreifer ein Wiederholungstäter. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) fühlt sich deshalb mit einer Bundesratsinitiative bestätigt, die der Freistaat schon im Vorjahr einbrachte. Demnach soll das Strafmaß für solche Taten künftig von zwei auf drei Jahre erhöht werden. Erwartet wird, dass der Bundestag der Änderung in Kürze zustimmt.
Mängel bei der Ausrüstung?
Uneinig zeigen sich die Experten dagegen bei Maßnahmen zum besseren Schutz der Beamten. Erik Berger von der Gewerkschaft der Polizei verwies gestern auf die notwendige Überprüfung der Schutzwesten, von denen viele bereits 18 Jahre im Einsatz seien. Zudem monierte er, dass es in Sachsen immer noch keinen behördlichen Rechtsschutz für die Beamten gebe. Er regte die Einführung eines landesweiten sozial-psychologischen Dienstes bei der Polizei an. Letzteres sei wichtig, um Polizisten noch besser auf Einsätze vorzubereiten, bei denen mit Gewalt zu rechnen ist. Allein Polizeichef Klar hielt dagegen. Theoretisch sei das eine gute Sache, aber es gebe schon genug Psychologen, und ein landesweiter Dienst sei angesichts des allgegenwärtigen Personalmangels ohnehin nicht möglich. Statt neuer Schutzwesten sei zum Beispiel das Trainieren von besonderen Einsatzsituationen noch viel wichtiger.
Unmittelbar nach der Anhörung zogen sich die Mitglieder des Innenausschusses des Landtages übrigens sofort zurück. Das brisante Thema ihrer Beratung: Der Aufmarsch rechter Demonstranten am 13. Februar in Dresden. Doch diesmal waren sich die Politiker nicht einig. Ein Antrag der Linksfraktion zum „friedlichen zivilen Protest gegen den Naziaufmarsch“ wurde von der CDU nicht zur Beratung zugelassen. Der Linkenabgeordnete Rico Gebhardt reagierte sarkastisch: „Das ist dümmer als die Polizei erlaubt.“ So habe ein Punkt des Antrags eine abgestimmte behördliche Strategie zur Deeskalation am 13. Februar betroffen. Er hoffe nur, dass dann die Polizisten vor Ort klüger agieren als jetzt die CDU.