Hamburger Morgenpost, 25.05.2010

NACH SCHANZEN-KRAWALLEN

Jetzt reden die Autonomen

In einem offenen Brief beklagen die Autonomen eine „innenpolitische Hysterie“.

Die Mai-Krawalle in der Schanze: Politik und Anwohner waren entsetzt über die Randale, die Gewalt, die nächtlichen Ausschreitungen. Andreas H., empörter Anwohner, geißelte in einem offenen Brief die Randalierer als
„pubertäre Vorstadt-Guerilleros“, die Polizei sprach von unpolitischen Jugendlichen, die sinnlose Gewalt ausübten. Nun ergreifen die Autonomen das Wort.

Ebenfalls in einem offenen Brief stellen sie ihre Sicht der Dinge da. Anlass für das zweieinhalbseitige Schreiben war das Verhalten von Joachim Lenders, dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft: Der wollte eigentlich an einer Podiumsdiskussion in der Schanze zum Thema „Polizei und Gewalt“ teilnehmen, bei der auch Autonome geladen waren. Lenders zog seine Zusage zurück, als zu Protesten aufgerufen wurde und die Polizei einen Einsatz mit 680 Beamten plante, um die Veranstaltung und Lenders zu schützen (MOPO berichtete).

Die Autonomen dazu: „Dass Lenders gemeinsam mit 680 Polizeibeamten und mehreren Wasserwerfern im Schlepptau anreisen sollte, hat weniger mit den Autonomen zu tun als vielmehr mit dem Selbstverständnis eines immer gewalttätiger agierenden Staates.“ Und: „Wer glaubt, wir würden demütig zuhören, während Lenders autoritäre Fantasien auslebt, von einer Räumung der Roten Flora träumt und vom Krieg erzählt, der fordert keine Redefreiheit, sondern das Ende linksradikaler Gesellschaftsentwürfe.“

Die Automen weiter: „Seit Innensenator Schill wurde in Hamburg die Repressionsschraube massiv weitergedreht.“ Unter Ahlhaus habe der Konflikt um das Schanzenfest einen neuen Höhepunkt erreicht. „Im Ergebnis hat auch die Intensität der Auseinandersetzung auf der Straße zugenommen.“ Eine regelrechte Hysterie sei im innenpolitischen Bereich zu bemerken. Der Staat mache es sich zu leicht, die Täter als „unpolitisch“ und ihr gewalttätiges Handeln als „sinnlos“ abzutun. Dies werde den komplexen Zusammenhängen nicht gerecht, die die Menschen auf die Straße trieben. Die Autonomen kündigen an, weiterhin denjenigen eine Stimme zu verleihen, „die sonst nicht zu Wort kommen“. (pin)

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