Main-Post, 04.03.2012

MÜNCHEN/KARLSTADT
Karikaturkalender: Zweite Polizeigewerkschaft in der Kritik
Ex-Landesvorsitzender Harald Schneider (GdP) distanziert sich von rassistischen Zeichnungen
Ein zweiter Kalender mit fragwürdigen Karikaturen bringt nach der Konkurrenzgewerkschaft DPolG nun die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und ihren früheren bayerischen Landesvorsitzenden Harald Schneider (Karlstadt) in die Kritik. Am Wochenende berichteten Welt-Online, Berliner Morgenpost und mehrere Online-Portale: Auch die größte Gewerkschaft der Ordnungshüter habe einen Kalender mit rassistisch eingefärbten Darstellungen herausgegeben.
Zuvor hatten mehrere Polizeipräsidien – darunter das in Unterfranken – angeordnet, dass der zuvor kritisierte DPolG-Kalender in den Dienststellen nicht mehr aufgehängt werden darf. Nun wurde den Medien ein weiterer, rund 15 Jahre alter Kalender zugespielt, der ebenfalls fragwürdige Darstellungen enthält. Ein Bild zeigt einen Schimpansen und zwei ratlose Polizisten. Darunter heißt es: „Er behauptet, nicht aus dem Zoo, sondern dem Asylantenlager zu stammen.”
Das Online-Angebot der Berliner Morgenpost zeigte weitere Motive: einen Schwarzen, der menschenverachtend mit Wulstlippen und krausen Haaren dargestellt wird. Beim Abnehmen der Fingerabdrücke heißt es: „Bei ihm brauchen wir keine Druckerschwärze. Es reicht, ihm die Finger anzufeuchten.“ Auf einem dritten Bild wird ein Schwarzer von einem Polizisten getreten. Dabei steht: „Kommt doch aus ’nem sicheren Trittstaat!“
Die Berliner Morgenpost wollte erfahren haben, dass der Zeichner selbst bayerischer Polizist sei. Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um einen Hauptkommissar aus Ingolstadt, der sich seit Jahren mit seinen Zeichnungen kritisch mit dem Arbeitsalltag der Polizisten auseinandersetzt. Die Springer Zeitungen „Morgenpost“ und „Welt“ vermuteten, dass „der frühere GdP-Chef Harald S. Herausgeber des nun aufgetauchten Kalenders“ sei.
Das wäre brisant, denn dabei kann es sich nur um den SPD-Landtagsabgeordneten Harald Schneider aus Karlstadt handeln. Der gelernte Polizist, der früher im Polizeipräsidium Unterfranken Dienst tat, leitete den Landesverband Bayern fünf Jahre lang bis 2010. Er hatte die Karikaturen der Konkurrenzgewerkschaft DPolG jüngst scharf verurteilt.
Allerdings war diese Darstellung vom Freitagabend auf den Internetseiten von „Berliner Morgenpost“ und „Welt“ bereits am Sonntag wieder verschwunden – zunächst ohne Angabe von Gründen.
„Diese Behauptung ist unwahr“, teilte Harald Schneider auf Anfrage dieser Zeitung mit. Der Landesverband der GdP „hat noch nie einen Polizeikalender mit Karikaturen herausgegeben, auch nicht in meiner Zeit als Landesvorsitzender von 2005 bis 2010“. Ebenso äußerte sich der aktuelle Landesvorsitzende Helmut Bahr: „Da will uns jemand etwas unterjubeln.“
Die zweifelhaften Karikaturen gibt es. Harald Schneider räumt ein, „dass ein nun in den Medien angesprochener Kalender aus zurückliegenden Jahren vom Verlag Deutsche Polizeiliteratur in Hilden herausgegeben wurde“. Dieser Verlag gehört zu den Unternehmen des Bundesverbandes der GdP. Polizisten aus ganz Deutschland konnten ihn über den Verlag in Hilden bestellen. Die GdP Bayern habe keinen Einfluss auf den Inhalt oder die Vertriebswege gehabt.
Der Unterfranke Schneider, der sich wiederholt an Initiativen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beteiligt hatte, betont: „Mir war der Kalender nicht bekannt. Ich distanziere mich von jeglicher Fremdenfeindlichkeit, egal ob in einem Kalender der DPolG oder des Verlags Deutsche Polizeiliteratur.“
Originale des offenbar 15 Jahre alten Kalenders sind bisher nicht aufgetaucht. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass seine Karikaturen auch in einer Publikation für die Einstellungsbeamten des bayerischen Innenministeriums Verwendung fanden. Der Zeichner selbst sagt auf Anfrage dieser Zeitung: Er wolle sich „dazu nicht mehr äußern, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen“. Die Pressestelle des Innenministeriums war zu einer Stellungnahme am Sonntag nicht erreichbar.

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