AFP, 27.08.2010

Koalition einig über neue Regelung zur Sicherungsverwahrung

Berlin — Die Koalition hat sich nach mehrwöchigem Streit auf ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung geeinigt: Für Täter, die nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes möglicherweise entlassen werden müssten, soll eine neue Form der sicheren Unterbringung geschaffen werden, wie Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) mitteilten.

Es werde für psychisch gestörte Gewalttäter „etwas anderes als Strafhaft, aber auch etwas anderes als die Unterbringung psychisch Kranker“ geschaffen, sagte de Maizière. „Der Schwerpunkt liegt auf der Therapierung“, fügte Leutheusser-Schnarrenberger hinzu. Mit der Neuregelung reagiert die Koalition auf eine Entscheidung des Straßburger Gerichtshofes, der eine Reihe nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrungen beanstandet hatte.

In dem von Union und FDP ausgehandelten Eckpunktepapier heißt es, in den neuen Einrichtungen solle die Lebensführung der Betroffenen nur soweit eingeschränkt werden, „wie dies für die Durchführung der Therapie in einer geschlossenen Einrichtung unverzichtbar ist“. Geklärt werden müsse noch, inwieweit das neue Gesetz auch auf jene 15 Täter angewandt werden soll, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bereits auf freien Fuß gesetzt wurden.

Angeordnet werden muss die Unterbringung durch eine Zivilkammer des Landgerichts mit drei Berufsrichtern auf Grundlage zweier externer Gutachten. Für aus der Sicherungsverwahrung Entlassene soll es künftig eine elektronische Aufenthaltsüberwachung etwa mit einer Fußfessel geben.

Die Koalition einigte sich zudem auf eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung bei künftigen Fällen. Demnach soll es die von Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte nachträgliche Sicherungsverwahrung künftig nicht mehr geben. Die Sicherungsverwahrung solle mit dem Urteil direkt oder vorbehaltlich verhängt werden und auf Gewaltdelikte beschränkt bleiben.

Die Polizeigewerkschaften begrüßten die Einigung zu den Altfällen. Es sei „eine überfällige Regelung nach viel zu langem Streit“ erzielt worden, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt.

Nun müsse das Gesetz schnell verabschiedet werden und die Länder zügig entsprechende Unterbringungseinrichtungen schaffen, forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast meldete verfassungsrechtliche Bedenken an. Es seien „Zweifel angebracht, ob bereits freigelassene Personen überhaupt in diese ominöse neue Form der Unterbringung gebracht werden können“, sagte sie dem „Hamburger Abendblatt.

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