Bild, 15.08.2010
Justiz-Skandal wird immer schlimmer
Kommen 300 Schwerverbrecher frei?
Von S. WINDHOFF, F. SOLMS-LAUBACH, P. RONZHEIMER und K. RIECHERS
Die Angst vor entlassenen Schwerverbrechern: Statt Lösungen aus der Politik kommen jetzt neue, erschreckende Zahlen an die Öffentlichkeit!
DEMNACH KÖNNTEN IN DEN NÄCHSTEN JAHREN 300 GEFÄHRLICHE KNACKIS IN DIE FREIHEIT ENTLASSEN WERDEN.
Diese Rechnung macht das Nachrichtenmagazin „Focus“ auf.
Klar ist: 14 Schwerstverbrecher sind bereits auf freiem Fuß. 100 Straftäter sollen noch in diesem Jahr freigelassen werden.
Grund dafür ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die eine rückwirkend angeordnete Unterbringung in die Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt hat.
Doch eine lückenlose Überwachung der Verbrecher ist unmöglich – und unbezahlbar: „Das stellt uns vor unlösbare Probleme. Mit der 24-Stunden-Überwachung sind bis zu 25 Polizisten beschäftigt. Die Personalkosten dafür sind enorm“, erklärt Rainer Wendt (53), Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft.
Er rechnet vor: Bei geschätzten 80 000 Euro für eine Polizei-Planstelle und einer Überwachungszeit von zwölf Monaten im 24-Stunden-Dienst wären das bei 100 entlassenen Straftätern Gesamtkosten von 200 Millionen Euro.
Bei 300 Gefährdern also 600 Millionen Euro!
Alarm bei den Landesregierungen: „Wir brauchen dringend noch in diesem Jahr ein neues Bundesgesetz, um die Freilassung hochgefährlicher Straftäter zu verhindern“, sagt der bayerische Staatsminister des Innern Joachim Herrmann (53, CSU) zu BILD.
Und sein saarländischer Kollege Stephan Toscani (43, CDU) warnt: „Die Sicherungsunterbringung ist die einzige Möglichkeit, die Menschen vor den Mördern, Vergewaltigern und Kinderschändern verlässlich zu schützen.“
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (46, CDU): „Die Bundesjustizministerin hat es in der Hand, die Bürger vor den immer noch gefährlichen Sexualstraftätern zu schützen.“
Doch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (59) bevorzugt es, zur Überwachung entlassener Straftäter die elektronische Fußfessel zu nutzen. Noch.