FAZ, 10.08.2010

Sexualstraftäter
Kritik am „Internetpranger“

Innen- und Rechtspolitiker der Union haben den Vorschlag befürwortet, Namen, Fotos und Anschriften von Sexualstraftätern im Internet zu veröffentlichen. Sprecher von Justiz- und Innenministerium sowie der Linkspartei äußerten sich dagegen ablehnend.

Von Peter Carstens, Berlin

09. August 2010

Innen- und Rechtspolitiker der Union haben den Vorschlag befürwortet, Namen, Fotos und Anschriften von Sexualstraftätern im Internet zu veröffentlichen. Sie schlossen sich damit einer Forderung des Polizeigewerkschafters (DPolG) Wendt an, der in der Zeitung „Bild am Sonntag“ mit der Aussage zitiert worden war: „Ich will wissen, wenn ein Vergewaltiger in der Nachbarschaft meiner Enkelin wohnt“. Kritik an dem Vorschlag übten Politiker der Linkspartei, der Datenschutzbeauftragte und die Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Für das Justizministerium erklärte ein Sprecher, das sei aus seiner Sicht „kein gangbarer Weg. Es geht jetzt darum, vernünftige Lösungen zu finden und nicht jetzt noch die Ängste der Bürger zu schüren“. Das Vorhaben sei „verfassungsrechtlich problematisch.“ Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums äußerte sich ähnlich.

Der CDU-Politiker Grindel sagte der Tageszeitung „Kölner-Stadt-Anzeiger“, es wäre zu prüfen, ob das rechtlich machbar sei. Nötig wäre eine einheitliche Linie von Bund und Ländern. Wenn es keine nachträgliche Sicherungsverwahrung mehr gebe, sei dies aus seiner Sicht „die zweitbeste Lösung“. Er verstehe nicht, warum die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sich der nachträglichen Sicherungsverwahrung „aus reiner Prinzipienreiterei“ widersetze. Der CSU-Politiker Geis sagte, zusätzlich zur Sicherungsverwahrung müsse darüber nachgedacht werden, die Bevölkerung besser zu schützen. „Dazu kann auch ein Hinweis im Internet über den Wohnort von gefährlichen und noch immer frei herumlaufenden Sexualverbrechern zählen.“

Der GdP-Vorsitzende Freiberg nannte die Forderung „populistische Effekthascherei“. Der Pranger sei „ein Instrument des Mittelalters“ gewesen. Der Datenschutzbeauftragten Schaar wertete die Idee als unausgegoren. Eine Sprecherin sagte nach Agenturangaben, die Datenveröffentlichung widerspreche dem Resozialisierungsgedanken und werfe die Frage nach dem Schutz der Straftäter auf. Die Linke-Fraktion sprach von einem „wahnwitzigen Vorschlag“ und einer „Einladung zur Lynchjustiz“.

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