20 Minuten Online, 29.07.2010
Für den Bürgermeister wird es eng
Viele halten Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland für den Hauptschuldigen am Loveparade-Desaster. Immer mehr belastende Indizien tauchen auf.
Einen Rücktritt schliesst das Stadtoberhaupt jedoch aus. «Ich muss das durchhalten», sagte Sauerland den Zeitungen der «WAZ»-Mediengruppe. Wenn er für die Tragödie die Verantwortung übernähme, würde er für den Rest seines Lebens für 20 Todesopfer verantwortlich gemacht. Er werde nachweisen, keine Fehler begangen zu haben, erklärte der CDU-Politiker.
Das dürfte ihm nicht leicht fallen. Denn immer mehr Indizien tauchen auf, wonach Adolf Sauerland entgegen seinen Beteuerungen – «mir sind keine Warnungen bekannt», hatte der Oberbürgermeister der «Rheinischen Post» vom Dienstag gesagt – sehr wohl über Bedenken betreffend die Sicherheit der Loveparade informiert war.
«OB wünscht die Veranstaltung»
Der «Kölner Stadt-Anzeiger» hatte am Montag berichtet, dass der Direktor der Duisburger Berufsfeuerwehr bereits im Oktober vergangenen Jahres Sauerland schriftlich gewarnt habe, der alte Güterbahnhof sei für die zu erwartenden Besuchermassen zu klein. Ausserdem veröffentlichte die «WAZ» am Dienstag auf ihrer Website ein Sitzungsprotokoll vom 18. Juni, auf dem handschriftlich das Kürzel Sauerlands vermerkt sein soll.
Bei einem Treffen mit dem Veranstalter Lopavent hat das Duisburger Bauordnungsamt demnach massive Bedenken gegen das Sicherheitskonzept erhoben, sich aber nicht durchsetzen können. Der Duisburger Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe soll Druck ausgeübt haben mit dem Argument, «dass der OB die Veranstaltung wünsche und dass daher hierfür eine Lösung gefunden werden müsse».
Jürgen Dressler, Leiter des Baudezernats der Stadt Duisburg, lehnte darauf mit einem handschriftlichen Vermerk auf dem Protokoll jede Zuständigkeit und Verantwortung ab: «Das entspricht in keinerlei Hinsicht einem ordentlichen Verwaltungshandeln und einer sachgerechten Projektstellung».Eine Sprecherin der Stadt Duisburg wollte gegenüber «Spiegel Online» mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben.
Polizeigewerkschaft verlangt Rücktritt
Mit dem Protokoll erhalten die Vorwürfe neue Nahrung, wonach Adolf Sauerland die prestigeträchtige Veranstaltung unbedingt durchführen wollte. Denn auch die Duisburger Polizei hatte gemäss einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» Veranstalter und Stadt im Vorfeld der Loveparade vom Samstag mehrmals auf Bedenken am Sicherheitskonzept aufmerksam gemacht, sei aber auf massiven Widerstand gestossen.
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nannte es «völlig unerheblich», ob Sauerland persönlich an der Planung der Veranstaltung beteiligt gewesen sei. «Als Chef der Verwaltung und Stadtoberhaupt trägt er die politische Verantwortung und muss zurücktreten, alles andere wäre ein echter Skandal», sagte Wendt.
Auch aus der eigenen Partei erfährt der Oberbürgermeister wenig Unterstützung. Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, vertrat im «Kölner Stadt- Anzeiger» die Auffassung, die Loveparade hätte auf einem eingezäunten Gelände mit einem Tunnel als Fluchtweg nicht genehmigt werden dürfen: «An der Spitze der politisch Verantwortlichen steht der Oberbürgermeister», betonte Uhl.
Teilnahme an Trauerfeier abgesagt
Für Adolf Sauerland wird die Luft dünn. Bereits am Sonntag war er an der Unglücksstelle ausgebuht und beschimpft worden. Inzwischen steht der OB unter verstärktem Polizeischutz, nachdem Morddrohungen ausgesprochen worden waren. Für Donnerstag rufen Technofans laut WDR zu einer Demonstration gegen Sauerland auf. Seine Teilnahme an der Trauerfeier vom Samstag hat er abgesagt. Er wolle «die Gefühle der Angehörigen nicht verletzen und mit seiner Anwesenheit nicht provozieren», hiess es aus dem Rathaus.