Freie Presse
Stollberger Zeitung
Donnerstag, den 27. Januar 2011

Keine Hürde für Menschenkette

Das Urteil, rechten Marschierern eine Route bahnen zu müssen, hat keine Konsequenzen für Dresdens Protestaktionen.

Von Jens Eumann

Dresden – Das Extremisten-Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden wird die Aktionen der Landeshauptstadt am 13. Februar zum Kriegsopfer-Gedenken nicht beeinträchtigen. Erneut wolle man ein „Zeichen gegen Rechtsextremismus und für Frieden und Demokratie setzen“, sagte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) gestern. Sie sprach für das Bündnis, das erneut aufruft, den Jahrestag des Bombardements vor 66 Jahren nicht von Extremisten missbrauchen zu lassen.

Wie im Vorjahr hat die rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) einen so genanntem Trauermarsch durch die Stadt angemeldet. Eine von Kirchen, Vereinen, Gewerkschaften und Parteien getragene Initiative plant dagegen einen „symbolischen Schutzwall“. Einander an den Händen fassende Demonstranten sollen eine zwei Kilometer lange Kette um Altstadt und Neustädter Elbufer bilden. Man erwartet rund 10.000 Menschen.

Im Vorjahr war es Tausenden von Demonstranten erstmals gelungen, den Rechtsextremen, die Dresden traditionell zum Jahrestag des Bombardements aufsuchen, einen solchen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) bezeichnet die Aktion als „klares Zeichen gegen ideologischen Missbrauch dieses Tages“. Der Minister rufe selbst zur Teilnahme auf, teilt sein Sprecher Frank Wend mit. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden, das in der Vorwoche zugunsten der extremistischen JLO urteilte, erwägt Ulbig als oberster Dienstherr der Polizei eine Berufung. Die Richter hatten geurteilt, dass die Polizei es im Vorjahr rechtswidrigerweise unterlassen habe, den rechten Marschierern ihren von Demonstranten blockierten Weg frei zu räumen. NPD-Landeschef Holger Apfel nahm das Urteil zum Anlass, gegen Blockierer den Einsatz von Wasserwerfern zu fordern. Es sei kaum vorstellbar, dass die Richter „Wasserwerfer und Knüppel“ meinten, als sie im Urteil von „geeigneten Mitteln“ zum Freiräumen sprachen, sagt der Sprecher des Verwaltungsgerichts, Robert Bendner. Auf jetzige Einsätze habe das Urteil ohnehin noch keine Auswirkung, da ihm die Rechtskraft fehle. „Da die Urteilsbegründung noch nicht da ist, können entsprechende Details keine Berücksichtigung finden“, sagt auch Ministeriumssprecher Frank Wend. Die Polizei werde „lageangepasst reagieren“.

„Um linke Demonstranten wegzutragen“, habe man kaum genug Kräfte, gibt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hagen Husgen, zu bedenken. Reinhart Gärtner, Rechtsberater bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Sachsen, klagt generell über die Situationen der Beamten, „die zwischen zwei Fronten stehen und Leute schützen müssen, deren Einstellung im Widerspruch zur eigenen steht“. In Chemnitz, wo am 5. März 2010 auch eine Route rechter Marschierer blockiert wurde, habe man einen eleganten Ausweg gefunden, sagt Gärtner. Die Rechten bekamen eine Ausweichroute. Dadurch skandierten sie ihre Parolen nicht in der Innenstadt, sondern auf einer Runde um den Güterbahnhof.

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