Westfalenblatt, 12.08.2010

Strafvollzug: »Nicht zurück ins Mittelalter«

Von Carsten Borgmeier

Gütersloh (WB). Gehören Kinderschänder und Vergewaltiger mit Namen, Anschrift und Foto an den Internet-Pranger? Rainer Wendt, Vorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft, hatte dies kürzlich gefordert. Klaus Jäkel vom Bund der Strafvollzugsbediensteten hält das für deutlich zu kurz gedacht. Der Gütersloher fordert »weniger Populismus und mehr Sachlichkeit«.

Seit 40 Jahren arbeitet der 61-Jährige im Vollzugsdienst. Wenn also jemand Erfahrung im Umgang mit Sexualstraftätern hat, dann der seit 1975 in Gütersloh lebende Jäkel. »Bei Kindesmissbrauch und Vergewaltigung darf es keine Toleranz geben, jede Tat muss der Staatsanwaltschaft gemeldet werden«, stellt er klar.

Um den Internet-Pranger ist eine heftige Diskussion entstanden, weil derzeit bundesweit etwa 80 Schwerverbrecher nach ihrer Haftverbüßung nicht in Sicherungsverwahrung genommen werden dürfen, sondern nach europäischem Recht freigelassen werden müssen. So propagierte Wendt, entlassene Sexualstraftäter auf Internetseiten der Polizei mit Bild und Anschrift zu zeigen. »Ich will wissen, wenn ein Vergewaltiger in der Nachbarschaft meiner Enkelin wohnt«, sagt Wendt.

Klaus Jäkel äußert in diesem Zusammenhang großes Verständnis dafür, dass Eltern bei frei herumlaufenden Kinderschändern sehr besorgt seien. »Der Internet-Pranger führt uns zurück ins Mittelalter, er schürt die Angst vor diesen Straftätern, die dadurch isoliert und in die Kriminalität gedrängt werden.« Stattdessen hält Jäkel für solche »tickenden Zeitbomben« eine »Schutzhaft mit Therapie« für angebrachter. Dafür müsste jedoch das Strafgesetzbuch novelliert werden, erklärt Jäkel. »Wer sich mehrfach an Kindern vergriffen oder Frauen vergewaltigt hat, ist krank im Kopf und muss behandelt werden«, meint der Gewerkschaftler.

Mit seinem Vorschlag von der »Schutzhaft« stehe er in Kontakt zur Landesregierung, betont Jäkel, der auch einen Vorschlag für nicht akut rückfallgefährdete Sexualstraftäter hat: »Da rede ich von der Führungsaufsicht«, erklärt der Gütersloher. Er meint damit die individuell streng zu gestaltende Beaufsichtigung der entlassenen Straftäter durch Sozialarbeiter und Psychologen. »Das entlastet Polizei und Steuerzahler«, fügt Jäkel an. Eine Aufsicht könne ambulant wie stationär angeordnet werden.

In Bezug auf die in der JVA-Außenstelle Gütersloh-Pavenstädt lebenden Insassen meint Jäkel: »Von denen geht keine Gefahr aus.« Dort befinden sich von 78 Straftätern 44 wegen sexueller Erstdelikte im offenen Vollzug.

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