Nürnberger Zeitung, 02.12.2010
Innenminister und Gewerkschaften einig – 01.12. 21:18 Uhr
Nürnberg – Polizisten treten in Bayern dem Bürger auch künftig anonym entgegen. Sowohl das Innenministerium als auch die beiden Polizeigewerkschaften sprechen sich strikt gegen eine Kennzeichnung der Beamten aus, wie dies in Berlin künftig der Fall ist.
In der Bundeshauptstadt müssen sich alle Polizisten ab Januar 2011 ein Namensschild oder eine individuelle Dienstnummer an die Uniform heften (die NZ berichtete). Befürworter versprechen sich davon, dass die Beamten dem Bürger mit mehr Verantwortlichkeit begegnen. Während Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) dies als „vernünftigen Kompromiss“ betrachtet, wollen Polizeigewerkschafter gegen die neue Regelung klagen.
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann lehnt als oberster Dienstherr der Polizei im Freistaat jegliche Kennzeichnung ab. „Wir halten das für gefährlich“, sagt Ministeriumssprecher Oliver Platzer auf Anfrage. Schon in der Vergangenheit hätten sich nach Demonstrationen rechtsextremer bzw. linker Gruppierungen Fotos von Polizisten im Internet gefunden — verbunden mit dem Versuch, einzelne Beamte an den Pranger zu stellen. Müssten die Einsatzkräfte eine Kennzeichnung tragen, bestünde die Gefahr, dass Polizisten in ihren Privatbereich verfolgt und deren Familien gefährdet würden.
Falls sich ein Polizist im Einsatz „danebenbenimmt“, so Platzer, dann „finden wir in der Regel heraus, um welchen Beamten es sich handelt“. Den wiederholten Vorwürfen der jüngeren Vergangenheit bezüglich Übergriffen von Polizisten nach Fußballspielen seien die Behörden regelmäßig nachgegangen.
Eine Kennzeichnung sei in Bayern „kein Thema“, sagt auch Hermann Benker, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im Freistaat. Gerade bei Großeinsätzen seien etliche Beamte willkürlichen Angriffen ausgesetzt in Form von pauschalen Strafanzeigen wegen angeblicher Übergriffe.
Selbst Demonstranten, die bei einer Blockadeaktion weggetragen würden, versuchten, sich mit Strafanzeigen zu „rächen“. Für die betroffenen Beamten brächten auch grundlose Anzeigen erhebliche Probleme mit sich — und „die dienstrechtlichen Folgen sind unter Umständen enorm“, so Benker.
Dass Polizisten in Großbritannien schon seit Jahrzehnten eine Dienstnummer tragen müssen, ist für den DPolG-Vorsitzenden kein Argument. Die „Bobbys“ hätten seit jeher einen sehr schlechten Ruf, meint Benker. Dies sei in Deutschland vollkommen anders — und damit sei „eine Pauschalverdächtigung bei uns nicht gerechtfertigt“.
In das gleiche Horn stößt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Im Falle einer persönlichen Kennzeichnung sei der Schutz der Polizisten und ihrer Familien nicht mehr gewährleistet. Dies gelte selbst für „anonyme“ Kennungen etwa mit einer Dienstnummer. Hier bestehe immer die Gefahr, dass der Name des Beamten durch ein Versehen auf der Dienststelle am Ende doch bekannt werde.