Schwarz-gelbe Pläne
Opposition und Gewerkschaften kritisieren Sparpaket
Sie nennen es einen „Anschlag auf den sozialen Frieden“ und „absolut inakzeptabel“: Bei Opposition und Gewerkschaften stößt das milliardenschwere Sparpaket der schwarz-gelben Regierung auf massive Kritik – die Koalition muss sich auf Widerstand einstellen.
Berlin – Linke-Parteichef Klaus Ernst ist sich jetzt schon sicher, dass die Sparpläne der Bundesregierung auf massiven Widerstand stoßen werden: „Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten.“ Es werde „Riesenproteste“ geben. Linke-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi nannte die Pläne einen „Anschlag auf den sozialen Frieden“ im Land.
Nicht allein die Linke reagierte mit scharfer Kritik auf das milliardenschwere Sparprogramm der Regierung – auch SPD, Grüne und Verbände lehnen die schwarz-gelben Pläne ab.
Die SPD warf der Bundesregierung bei ihren Sparbemühungen eine Umverteilung von unten nach oben vor. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte am Montag in Berlin, die Steuergeschenke für Hoteliers und Unternehmen entsprächen etwa der Summe, die die Regierung jetzt beim Arbeitsmarkt einsparen wolle. In diese Wunde werde die SPD im Bundestag immer wieder ihre Finger legen und Alternativen zu den Sparvorschlägen der Koalition aufzeigen. Wenn die Regierung ihr Sparpaket als „einmaligen Kraftakt“ bezeichne, dann entgegne er: „An Mut und an Kraft hat es hier gefehlt.“
Die Grünen kritisierten, die Handschrift der Koalition sei die Kürzung bei den Schwachen. Schwarz-Gelb scheue eine höhere Belastung der Vermögenden wie der Teufel das Weihwasser, sagte Fraktions-Geschäftsführer Volker Beck.
Sorge vor wachsender Armut
Verdi-Chef Frank Bsirske warf der Bundesregierung vor „einseitig die Schwachen in der Gesellschaft“ zu belasten statt „starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen“. Der Paritätische Gesamtverband bezeichnete das Sparpaket als „absolut inakzeptabel“. Der Sozialverband VdK Deutschland erklärte, die Sparbeschlüsse führten zu mehr Armut – die Kluft zwischen Reich und Arm in Deutschland werde weiter wachsen.
Verdi rief zusammen mit dem DGB für Samstag zu Protestaktionen auf. „Die Ärmsten im Land sollen nun die Zeche für die Zockerei der Banken und die falsche Krisenpolitik der Bundesregierung zahlen“, sagte die ver.di-Landesbezirksleiterin in Baden-Württemberg, Leni Breymaier. Die Aktion in Stuttgart sei der Auftakt zu bundesweiten Protesten gegen „die falsche Sparpolitik der Bundesregierung“.
Der Deutsche Beamtenbund dbb wandte sich gegen den geplanten Abbau von mehr auf 10 000 Stellen beim Bund bis 2014. Dies werde „fatale Folgen“ haben, sagte dbb-Chef Peter Heesen. Der Bund beschäftigt nach dbb-Angaben derzeit rund 280.000 Beamte und Angestellte; hinzu kommen 183.000 Soldaten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft befürchtet Stellenstreichungen bei der Bundespolizei und damit Abstriche bei der Sicherheit auf Bahnhöfen und Flughäfen.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dagegen: „Bei einer Gesamtverschuldung von 1,7 Billionen Euro von Bund, Ländern und Gemeinden müssen wir endlich den Weg aus dem Schuldensumpf finden. Das geht nicht ohne Einschnitte auch im Sozialbereich.“
„Es ist ein ehrgeiziges Programm“
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in dem Sparpaket einige positive Ansätze für den Umweltschutz. Als Beispiel nannten der BUND die Einführung einer ökologischen Luftverkehrsabgabe im Flugverkehr und einer Brennelementesteuer. Dagegen sprach die Lufthansa von einem „schwarzen Tag für den Luftverkehrsstandort Deutschland“.
Ökonomen reagierten verhalten optimistisch auf die Regierungspläne. „Es ist ein ehrgeiziges Programm, das nicht auf Steuererhöhungen, sondern im Wesentlichen auf Einsparungen setzt“, sagte Uwe Angenendt, Chefsvolkswirt der BHF-Bank. Es treffe letztlich viele Branchen und Bevölkerungsgruppen. „Das liegt aber in der Natur der Sache: Wenn man spart, muss es irgendwo ankommen – auch im Sozialbereich.“
Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt von Unicredit, sagte: „Es ist erfreulich, dass man auf Steuererhöhungen auf breiter Front verzichtet hat. Das wäre der falsche Weg gewesen, denn Konsolidierung primär über die Einnahmeseite funktioniert nicht. Ich hätte mir mehr mutigen Subventionsabbau gewünscht, da bin ich ein bisschen enttäuscht.“
Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Institutes, dagegen nannte das Sparpaket „relativ mutlos“. Eigene Fehler wie die Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels seien nicht zurückgenommen worden. „Bei den reduzierten Mehrwertsteuersätzen hätte man Unsinniges abschaffen können.“
Spiegel online, 08.06.2010