Montag, 10. Mai 2010
(Sächsische Zeitung)
Polizei beendet zwei Hausbesetzungen
Von Alexander Schneider
Weil Jugendliche Häuser in Beschlag genommen haben, sind am Wochenende mehr als 200 Beamte zu zwei Großeinsätzen ausgerückt.
Friedliche Demo vor der Liststraße 8 – das Haus wurde soeben besetzt – Alternative planen dort ein soziokulturelles Zentrum. Fotos: Brennpunktfoto (3)
Wegen zwei Hausbesetzungen hat die Polizei am Wochenende in nächtlichen Großeinsätzen 80 und 150 Beamte aufgeboten. Sechs Polizisten und mehrere Demonstranten wurden bei einer Räumung verletzt.
Bereits am Freitagnachmittag hatten etwa 30 alternative Jugendliche ein ehemaliges Verwaltungsgebäude der Stadtentwässerung in Pieschen friedlich in Besitz genommen (die SZ berichtete). Eine „Interessengemeinschaft“ plant in dem Haus auf der Liststraße 8 ein soziokulturelles Zentrum mit Stadtcafé, alternativem Mehr-Generationen-Wohnprojekt und dergleichen mehr. Die Jugendlichen waren mit Transparenten, Samba-Gruppe und sogar einem Nutzungskonzept mit Finanzierungsideen angerückt. Sie konfrontierten auch einen verdutzten Mitarbeiter des Eigentümers damit. Doch der war, erwartungsgemäß, wenig kooperativ. Die 60Jugendlichen hatten eine Viertelstunde, um Haus und Hof zu verlassen – doch die Hälfte entschied sich zur Besetzung. Also rückte die Polizei zum Räumen an.
Das dauerte einige Stunden, denn auf dem Dach hatten sich sieben Besetzer angekettet, drei weitere hatten im Erdgeschoss ihre Arme in einem Fass aneinander gekettet und es mit Beton aufgefüllt – sicher ist sicher. Einige Jugendliche wollten verhindern, dass die Lage eskalierte. Sie hatten sogar Glasflaschen und andere potenzielle Wurfgeschosse eingesammelt. Doch der Einsatz dauerte, die Samba-Truppe durfte weiter vor dem Haus trommeln, als feierte man ein Fest. So wurden auch weniger friedlich Gesonnene angezogen. Als die Polizei das Dach mithilfe einer Feuerwehr-Drehleiter enterte, versuchten Störer die Beamten abzudrängen. Flaschen flogen.
Zu wenige Beamte?
Um die Straße gleich zu räumen, fehlten wohl die Kräfte – und es hätte die inzwischen gut 100 Leute weiter aufgeheizt. Um 22 Uhr waren Haus und Straße geräumt. Einzig im Erdgeschoss war die Feuerwehr noch fünf Stunden am Hämmern, um die drei von ihrem Beton-Fass zu befreien. Die Linke-Abgeordneten Annekatrin Klepsch und Julia Bonk wurden von den Besetzern um Hilfe gerufen. Sie kündigten an, das Thema Freiräume für alternative Lebensformen weiterzuverfolgen. Sie kritisierten, dass die Polizei Sanitäter nicht zu angeblich verletzten Besetzern im Gebäude vorgelassen habe. 19 Jugendliche landeten im Gewahrsam. Ein Flaschenwerfer wurde festgenommen. Es gibt Anzeigen wegen Land- und Hausfriedensfriedensbruchs sowie Widerstandes gegen Uniformierte. In der Nähe auf der Hansa- und der Fritz-Reuter-Straße brannten nachts zehn Mülltonnen – nur ein Zufall?
In der nächsten Nacht ähnliche Szenen in der Hechtstraße: Auch dort waren etwa 40 Besetzer in ein leer stehendes Haus eingedrungen. Ein Feuer brannte davor. „Zwei Besetzungen könnt Ihr Euch noch leisten“, stand frech auf einem Transparent an der Fassade. Die 150 Beamten, die zuvor im Alaunpark ein nicht genehmigtes Konzert der linken Szene aufgelöst hatten, sprachen Demonstranten Platzverweise aus. Zehn wurden kurz festgenommen.
Sonntag, 9. Mai 2010