Südwest Presse, Rheinische Post, 14.09.2010
Stuttgart 21: Polizei fordert Verstärkung
Stuttgart. Die Proteste gegen Stuttgart 21 dauern weiter an – deshalb fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft nun Unterstützung aus Bund und Ländern an.
Seit Mitte August der Bauzaun vor dem Nordflügel das Stuttgarter Hauptbahnhofs aufgestellt wurde, stehen Dutzende von Polizisten in grünen Overalls Tag und Nacht vor dem Absperrgitter. Sie sorgen dafür, dass die umstrittenen Abrissarbeiten fortgesetzt werden können – und ja kein Protestler die bestgesicherte Baustelle Deutschlands betreten oder blockieren kann. Zudem müssen sie die regelmäßigen Demonstrationen, die sich mittlerweile zu Massenspektakeln mit bis zu 70 000 Teilnehmern entwickelt haben, begleiten.
Bis zu 1000 Beamte sind laut Innenministerium etwa bei Großdemonstrationen an Montagen und Freitagen im Einsatz. Die Stuttgarter Polizei mit ihren ingesamt gerade mal rund 2300 Kräften kann die Aufgabe allein längst nicht mehr bewältigen. Ohne die Bereitschaftspolizisten verschiedener Standorte im Land kann der Dauereinsatz nicht geleistet werden. Doch auch hier ist die Grenze des Machbaren erreicht. Das Innenministerium hatte bereits vor Tagen auf die zunehmende Belastung der Polizei hingewiesen. Zwar gebe es noch keine Engpässe. Was aber passieren könne, sei, dass man Einsätze in anderen Ländern überdenken müsse.
Damit nicht genug: „Die Polizei in Baden-Württemberg wird den Polizeieinsatz nicht mehr lange alleine schultern können“, stellt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fest und warnt: Es sei „nur eine Frage der Zeit, wann auch Kräfte anderer Bundesländer und der Bundespolizei Unterstützung leisten müssen“. Und auch das bliebe nicht ohne Folgen, denn die Einsatzkräfte würden ja anderswo ebenso benötigt. Sie könnten jedoch nicht gleichzeitig Castor-Transport, Rechts-Links-Demos, Fußballspiele, entlassene Gewalttäter und demnächst Anti-Atom-Demos überall in Deutschland begleiten, erklärt Wendt.
Der Gewerkschaftler rät der Landesregierung und der Deutschen Bahn, das Gespräch mit den Kritikern zu suchen. Und zwar ohne gleichzeitigen Abrisslärm. Zudem regte er an, dass der Bauträger seinen Bauzaun auf eigene Kosten selbst sichert. „Dazu gibt es private Objektschutzkräfte, Aufgabe der Polizei ist es ohnehin nicht, Baustellen und Bauzäune zu bewachen“, betont Wendt.