Handelsblatt, 17.01.2011
„Bei einigen Beteiligten liegen die Nerven blank“

Die Debatte über eine mögliche Fusion von Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA) nimmt bizarre Formen an. Nachdem aus der Unions-Fraktion verlautete, die Pläne seien vom Tisch, kam prompt das Dementi vom Bundesinnenminister. Nun ist der Ärger groß. Die Polizeigewerkschaft warnt vor übereilten Entscheidungen und die Union will von einem Fusions-Aus nichts mehr wissen.

dne/HB BERLIN. Das Bundesinnenministerium hat Berichte zurückgewiesen, wonach die von Minister Thomas de Maiziere angestrebte Fusion von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei geplatzt ist. „Es ist nichts vom Tisch, es ist vieles auf dem Tisch“, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Freitag in Berlin. Die Entscheidung werde erst im Frühjahr fallen.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte zuvor unter Berufung auf einen hochrangigen Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag berichtet, die Fusion sei geplatzt. Wegen des Widerstandes der Länder und des BKA-Chefs Jörg Ziercke werde nun nach einer gesichtswahrenden Lösung gesucht. Diese könne in einer engeren Kooperation in Teilbereichen liegen.

Experten des Ministeriums prüfen seit Anfang Januar Vorschläge einer Kommission unter Ex-Verfassungsschutz-Präsident Eckart Werthebach, BKA und Bundespolizei unter dem Dach einer neuen Behörde zu bündeln. Damit soll der Kampf gegen Kriminalität und Terrorgefahr effektiver werden. Der Name der künftigen Behörde ist ebenso offen wie ihr Standort. Der dem Finanzministerium unterstellte Zoll soll eigenständig bleiben.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte vor vorschnellen Entscheidungen bei der angestrebten Fusion. Bei der Reform der Sonderpolizeien des Bundes müsse der Zeitdruck herausgenommen werden. „Die jetzt veröffentlichten Meldungen, wonach eine Reform von Bundespolizei und BKA vom Tisch sei und das prompt folgende Dementi vom Bundesinnenministerium, zeigen, dass die Nerven bei einigen Beteiligten blank liegen“, sagte Wendt Handelsblatt Online.

Er gab zu bedenken, dass die Kommission unter Ex-Verfassungsschutz-Präsident Eckart Werthebach, für ihre Vorschläge, BKA und Bundespolizei unter dem Dach einer neuen Behörde zu bündeln, acht Monate Zeit gehabt habe. Die betroffenen Behörden sowie die Polizeigewerkschaften sollen hingegen innerhalb von acht Arbeitstagen, eine Stellungnahme abgeben. „Das kann nicht funktionieren“, sagte Wendt. Er plädiere daher dafür, „in Ruhe“ zu schauen, wie Bundespolizei, BKA und Zoll besser zusammenarbeiten können. „Überhastete und oberflächliche Organisationsmaßnahmen schaden nur dem eigentlichen Ziel, nämlich die Arbeit der Sicherheitsbehörden noch effektiver zu gestalten“, sagte Wendt.

Die Unions-Politiker Hans-Peter Uhl und Wolfgang Bosbach forderten den Bund auf, die Länder in eine Entscheidung über eine Polizeireform einzubinden. Nach dem Grundgesetz sind grundsätzlich die Bundesländer für die Polizei zuständig. Bundesstellen sollen sie ergänzen und unterstützen. De Maizière beteuert, daran grundsätzlich nichts ändern zu wollen – eine Grundgesetzänderung will er nicht. Dennoch gibt es Befürchtungen, der Bund könnte schleichend Kompetenzen der Länder übernehmen. Der innenpolitische Sprecher der Unions- Bundestagsfraktion, Uhl (CSU), sagte der dpa: „Ich verstehe die Vorbehalte der Landesinnenminister.“ Diese Befürchtungen müssten möglichst rasch durch Gespräche mit den Ländern ausgeräumt werden.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Bosbach (CDU). Ziel müsse sein, für die geplante Reform ein „möglichst hohes Maß an Zustimmung“ zu bekommen. „Und da muss der Bund noch viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Der FDP-Innenexperte Hartfried Wolff entgegnete, es mache Sinn, weitere Fachleute bei der Entscheidungsfindung hinzuzuziehen, „aber eine Hörigkeit gegenüber den Landesinnenministern halte ich für übertrieben“.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte de Maizière auf, sich von den umstrittenen Fusionsplänen zu trennen. Die angespannte Sicherheitslage in Deutschland vertrage keine „Irritationen“ in den Behörden. Die Mitarbeiter müssten sich auf ihre Arbeit konzentrieren können, sagte GdP-Chef Bernhard Witthaut.

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