Freitag, 21. Januar 2011
(Sächsische Zeitung)
Von Karin Schlottmann und Alexander Schneider
Das Verwaltungsgericht wirft der Polizei vor, am 13. Februar 2010 das Demonstrationsrecht von Rechtsextremen behindert zu haben.
Über Szenen wie diese musste jetzt das Verwaltungsgericht entscheiden. Demonstranten, die gegen den Aufmarsch der Neonazis demonstrierten, blockierten am 13. Februar 2010 auch die Hansastraße in Dresden.
Foto: Jörn Haufe
In sz-online
Rohwer: Debatte über 13. Februar keine Parteisache
Der CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Lars Rohwer ist gegen eine Diskussion über das Gedenken anlässlich des 13.Februar 1945 auf Parteiveranstaltungen.
Kommentar: Nichts begriffen
Oliver Reinhard über Lars Rohwers Gedenk-Thesen zum 13. Februar
Polizeieinsatz am 13. Februar 2010
Innenminister Markus Ulbig (CDU) war nach der Blockade der Neonazi-Demo am 13. Februar 2010 hochzufrieden. „Wir können stolz sein“, lobte er die 7400 Polizisten von Land und Bund. Sie hatten die friedlichen Blockaden des Aufmarsches der NPD-nahen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO) nicht aufgelöst und damit Zusammenstöße und Krawalle verhindert. Wegen der weit über 10.000 Gegendemonstranten und Blockierer sah sich die Polizei nicht in der Lage, die Rechtsextremen wie geplant marschieren zu lassen.
Gestern mussten sich Innenministerium und Polizeiführung dafür harsche Kritik anhören. Das Verwaltungsgericht Dresden stellte nach umfangreicher Beweisaufnahme fest, dass die Polizei „es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers am 13. Februar 2010 zu gewährleisten.“
Frank Wend, Sprecher des Innenministeriums, kommentierte das Urteil mit den Worten: „Wir sind nicht zufrieden.“ Ob der Freistaat Rechtsmittel gegen das Urteil der 6.Kammer einlegt, will das Ministerium nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe in einigen Wochen entscheiden. Das Gericht hatte die Medien nicht über den Prozesstermin informiert.
Polizei fürchtet Eskalation
Kläger in diesem Verfahren war die JLO. Sie hatte bei den Behörden für den 13. Februar 2010, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens, einen sogenannten Trauermarsch angemeldet und sich vor Gericht erfolgreich gegen Auflagen und Beschränkungen gewehrt. Die Polizei verhinderte dennoch, dass sich die rund 6.400 Demonstranten in Bewegung setzen konnten.
Am Mittwoch hatte das Gericht in der mündlichen Verhandlung Zeugen befragt, darunter Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Er verwies auf Blockaden und sonstige Störungen durch Gegendemonstranten im Verlauf der geplanten Aufzugstrecke der Neonazis. Die Demonstration rund um den Bahnhof Dresden-Neustadt hätte in dieser Situation zu unvertretbaren Gefahren geführt. Die Beamten hätten nicht gegen die Blockierer einschreiten können, ohne dass es zu einer weiteren Eskalation gekommen wäre.
Landespolizeipräsident Bernd Merbitz hatte nach dem Gedenktag eingeräumt, dass auch Sitzblockaden kein legitimes Mittel gegen Nazi-Aufmärsche seien. Aber in diesem Fall habe es sich von selbst verboten, die Straßen mit Gewalt zu räumen. Unter den mehrheitlich friedlichen Demonstranten hätten sich viele Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen befunden.
JLO-Anwalt Ingmar Knop sagte, er sei erfreut, dass das Verwaltungsgericht so rasch entschieden und für Rechtsklarheit gesorgt habe. Das Urteil könne dazu beitragen, dass die Polizei anders als im Vorjahr den diesjährigen Rechten-Aufmarsch gegen die geplanten Blockaden durchsetzen werde.
Scharfe Kritik kam dagegen von der Linkspartei. „Ich halte es auch für schlicht unvorstellbar, dass sich die Polizei durch dieses nicht nachvollziehbare Gerichtsvotum von ihrem besonnenen und auf Deeskalation angelegten Vorgehen abbringen lässt“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion der Linkspartei, Klaus Bartl. Die Zivilgesellschaft werde sich von dieser Gerichtsentscheidung nicht irritieren lassen.
Wieder Großeinsätze geplant
Die Rechtsextremen planen am Sonntag, dem 13. Februar, einen Fackelmarsch und am Sonnabend, dem 19. Februar, wieder einen sogenannten Trauermarsch. Er ist die bundesweit größte Neonazi-Demonstration. Die Polizei bereitet seit Dezember Großeinsätze für die beiden Wochenenden vor.
Das Bündnis „Dresden nazifrei“, das auch in diesem Jahr zu Blockaden aufruft, zeigte sich von dem Urteil überrascht. Ziel sei es nun, um so mehr bundesweit zu mobilisieren. „10.000 Menschen sind ein Fakt, an dem die Polizei nicht vorbeikommt“, sagte ein Sprecher. Gestern trafen sich Mitglieder des Bündnisses vor der sächsischen Landesvertretung in Berlin symbolisch zu einem „Probesitzen“.