Bild, 20.07.2010
Jamal ist angeblich erst 11 Jahre alt

Von N. BIEWALD, A. LIER, D. RIEDEL, P. ROSSBERG und J. WEHMEYER

Berlin-Kreuzberg, gestern, 14.24 Uhr. Ein Einsatz der ­Polizei gegen Straßendealer. Trauriger Alltag für die Polizei in der Hauptstadt.

Und doch ist dieser Einsatz etwas Besonderes. Denn an diesem Nachmittag erwischt die Polizei Jamal*, Deutschlands wohl jüngsten Heroin-Dealer. Das vierte Mal innerhalb von einer Woche, das elfte Mal innerhalb von zwei Monaten. Jamals offizielles Alter: ELF Jahre!

Zusammen mit anderen Jugendlichen versorgt er täglich die Süchtigen an der U-Bahn-­Linie 8 mit Drogen. Bei einer früheren Festnahme schluckte er die Beweise, in Folie eingeschweißte Heroinkügelchen, runter. Platzt eines der Plastiksäckchen, würde er an der Überdosis sterben.

DIE POLIZEI IST MACHTLOS.

Weil der schmächtige Junge aus dem Libanon bei den deutschen Behörden als Elfjähriger gilt, ist er strafunmündig.

Erst ab 14 Jahren könnte die Polizei ihn einsperren.

Jamal wirkt wesentlich älter, älter als 14 sogar. Aber sein wahres Alter ist unbekannt, seit er vor zwei Monaten per Flugzeug einreiste.

Als er am Flughafen kontrolliert wurde, hatte er keine Papiere dabei – und behauptete: „Ich bin elf.“

KEIN EINZELFALL!

Libanesische Clans, die den Drogenverkauf in der Hauptstadt kontrollieren, werben die Kinder-Dealer in ihrer Heimat an.

Ein Ermittler: „Schleuser bringen sie her, sammeln noch im Flugzeug ihre Papiere ein. In Deutschland beantragen sie dann Asyl.“

Die Jungen geben ihr Alter deutlich jünger an, damit sie möglichst lange straffrei mit Drogen dealen können.

Jamal und andere Kinder sind in einem Heim untergebracht.

Eine Mitarbeiterin: „Wir prüfen die Identität, bestellen einen Vormund, kümmern uns um Sprachunterricht und lassen Gesundheits-Checks durchführen. Wir sind keine geschlossene Einrichtung, sie können kommen und gehen, wann sie wollen.“

Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Es ist organisierte Kriminalität. Die Kinder und Jugendlichen werden abgerichtet und auf unsere Gesellschaft losgelassen. Dabei gehören sie in geschlossene Erziehungsanstalten.“

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