Freie Presse
Blutflecke auf der Weingasse zeugen von Festnahme – 32-Jähriger soll Parolen geschmiert und provoziert haben
Holger Bellmann prangert den blutigen Polizeieinsatz vor seinem Geschäft in der Weingasse an.
Freiberg. Juwelier Holger Bellmann ist erschüttert: Direkt vor seinem Geschäft in der Freiberger Weingasse haben Polizisten am Samstagnachmittag einen jungen Mann verletzt. Die Blutspuren waren auch am Dienstag noch zu sehen. Daneben hatte Bellmann ein Klappschild gestellt, auf dem er den Beamten unverhältnismäßige Brutalität vorwirft.
„Als ich aus der Haustür kam, stand da ein junger Mann umringt von Polizisten und wurde gerade fotografiert“, erinnert sich der Juwelier, der erst am Tag zuvor von einer Israel-Reise zurückgekehrt war. Er sei angeherrscht worden, wieder ins Haus zu gehen, weil hier eine „polizeiliche Maßnahme“ laufe.
Dann habe es vor der Tür Krawall gegeben: „Als ich nachschaute, lag der Mann auf den Granitplatten, brüllte wie am Spieß und blutete heftig im Gesicht, das er zur Seite gedreht hatte.“ Wahrscheinlich hatte man ihm von hinten die Beine weggezogen, vermutet Bellmann, sodass er mit dem Kopf auf den Boden schlug. „Selbst einen Schwerverbrecher hätten die Polizisten nicht so misshandeln dürfen“, urteilt der Freiberger, der inzwischen Strafanzeige gegen die Beamten erstattet hat.
Tatsächlich werden dem 32-Jährigen aber Schmierereien zur Last gelegt, wie Polizeisprecher Frank Fischer am Dienstag informierte. Ein Bürger habe gegen 14 Uhr die Polizei informiert, dass drei Unbekannte auf der Kirch- und der Brennhausgasse Fassaden verunstalten. Kräfte des Reviers Freiberg und Beamte, die aus Anlass der Antifa-Demonstration in Freiberg waren, hätten daraufhin die Fahndung aufgenommen. An eine Fassade in der Kirchgasse war in der Größe von etwa zweieinhalb mal einem Meter „34 KILL OUT“ geschmiert worden, in der Brennhausgasse fand sich in etwa derselben Größe der Schriftzug „Antifa AUF’S Maul“.
Die Beamten konnten nach Fischers Worten zwei Tatverdächtige im Alter von 24 und 32 Jahren auf der Weingasse fassen. Der Dritte, ein 20-Jähriger, sei noch am Nachmittag im Albert-Park gestellt worden. Bei der Festnahme auf der Weingasse habe der 32-Jährige die Polizisten beleidigt und massiven körperlichen Widerstand geleistet. „Wegen seiner Gegenwehr musste der Verdächtige zu Boden gebracht werden und durch seine Gegenwehr fügte er sich dabei selbst diese Verletzung zu“, so der Sprecher.
Nach der Festnahme sei der Mann zum Revier gebracht und dort ärztlich versorgt worden. Gegen 17.30 Uhr kam er wieder frei – zuvor seien seine Personalien festgestellt und ihm Blut abgenommen worden wegen des Verdachts der Beeinflussung durch Alkohol beziehungsweise Betäubungsmittel.
„Von einem überzogenen, überharten oder brutalen Polizeieinsatz kann keine Rede sein. Die Beamten haben pflichtgemäß nach Tätern gesucht, Verdächtige gestellt und damit für die schnelle Aufklärung von Sachbeschädigungen gesorgt“, betont Fischer. Bei der Festnahme des 32-Jährigen habe aufgrund der Gegenwehr ein dritter Beamter eingreifen müssen, um dem Mann die Handfessel anlegen zu können: „Es ist davon auszugehen, dass der Tatverdächtige ohne seinen Widerstand nicht verletzt worden wäre.“ Gegen ihn werde nun auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Vor Ort auf der Weingasse seien elf Beamte gewesen, die auch die zweite Festnahme realisierten und Beweise sicherten.
Holger Bellmann stößt der massive Einsatz der schwarz gekleideten Polizisten – im Zusammenhang mit der Demo waren rund 100 Spezialkräfte im Einsatz – besonders bitter auf. Denn der Tod seines Sohnes, der vor vier Jahren mit seinem Motorrad auf der Olbernhauer Straße verunglückt ist, bleibt ungesühnt. Er war beim Überholen auf einen Pkw geprallt, dem ein anderer Kraftfahrer an der Aldi-Ausfahrt die Vorfahrt überlassen hatte. Die Klage, mit der die Eltern ein Gerichtsverfahren erzwingen wollten, wurde im Februar abgewiesen.
Von Steffen Jankowski
Erschienen am 13.10.2010