Tagesschau, ZDF heute, 02.05.2010

Polizeigewerkschaft kritisiert Einsatz in Hamburg

Zu wenige Polizisten – Verfahren gegen Thierse?

Festnahmen in Hamburg, relative Ruhe in Berlin – die Polizeigewerkschaft ist dennoch nicht mit der Bilanz der Mai-Krawalle zufrieden. In Hamburg seien zu wenige Polizisten im Einsatz gewesen. Die Lageeinschätzung sei „völlig daneben“ gewesen.

Es seien zu wenig Polizisten eingeplant worden, erklärte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, am Sonntag. Hundertschaften hätten mit sieben Polizeihubschraubern nach Hamburg eingeflogen werden müssen, um die Gewaltorgie einzudämmen. Ein Polizeisprecher erklärte auf Nachfrage, es habe sich um eine Reserve-Hundertschaft der Bundespolizei gehandelt, die kurz nach Mitternacht aus Berlin nach Hamburg geholt worden sei.

„Lageeinschätzung völlig daneben“
Lenders kritisierte, Hunderte von gewalttätigen Krawallmachern seien marodierend durch das Schanzenviertel gezogen und hätten ihrer Zerstörungswut freien Lauf gelassen: „Mit unglaublicher Brutalität hat ein randalierender Mob eine Schneise der Verwüstung durch das Schanzenviertel gezogen. Die bisherige Einsatztaktik der Hamburger Polizei durch starke Kräfte den Gewaltmob unter Kontrolle zu bringen, konnte nicht greifen, weil zu wenige Einsatzkräfte zur Verfügung standen.“

Angesichts der pausenlosen Würfe mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik auf die Polizisten grenze es an ein Wunder, dass nur rund 30 Verletzte unter ihnen zu beklagen seien. „Wir gehen davon aus, dass diese Zahl noch deutlich nach oben korrigiert werden muss. Es ist verantwortungslos, dass Polizeibeamte verheizt werden, weil nicht genügend Personal vorgehalten wird“, erklärte Lenders. Die Lage sei zuvor schöngeredet worden: „Die Lageeinschätzung für das 1. Mai-Wochenende war vollkommen daneben und hat zu einer Gefährdung unserer Einsatzkräfte geführt. Wir können nur hoffen, dass die festgenommenen Krawallmacher möglichst schnell und hart abgeurteilt werden.“

Härteres Durchgreifen in Berlin
In Berlin war man dagegen mit dem 1. Mai-Wochenende zufrieden. Innensenator Ehrhart Körting sagte am Sonntag, es sei der Polizei besser als vor einem Jahr gelungen, die Gewalt einzudämmen und zog mit Polizeipräsident Dieter Glietsch eine positive Bilanz des Einsatzes von 7300 Beamten. Zwischen Freitagabend und Sonntagnacht seien 450 Menschen festgenommen worden, darunter 285 Rechtsextremisten. In den eigenen Reihen ermittelt die Polizei wegen des harten Fußtritts eines Polizisten gegen den Kopf eines am Boden liegenden Demonstranten.

Auch am Samstagabend kam es wieder zu den Ausschreitungen, die seit über 20 Jahren den Mai-Feiertag in Berlin-Kreuzberg prägen. Im Anschluss an eine friedliche Demonstration linker und autonomer Gruppen mit 10.000 Teilnehmern wurden Polizisten mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Schlagstöcken und fuhr demonstrativ Wasserwerfer auf, die dann allerdings nur kleinere Brände löschten.

reuters

Rechtliche Konsequenzen für Thierse?
Unterdessen muss Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD)wegen seiner Sitzblockade beim Aufmarsch Rechtsextremer im Stadtteil Prenzlauer Berg mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Körting sagte, er habe Thierse freundlich und bestimmt eine Rechtsbelehrung erteilt. „Lieber Wolfgang“, habe er ihn angesprochen. Es habe aber nicht gefruchtet: „Er ist ja jünger als ich“, meinte Körting. Nun müssten Juristen werten, ob Nötigung vorliege, eine Ordnungswidrigkeit oder die Verhinderung einer nicht-verbotenen Versammlung.

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