Schaumburger Nachrichten, 01.12.2010
Prügel für Polizisten, gemeint ist der Staat: Der zweite Teil der Studie „Gewalt gegen Polizeibeamte“ stellt eine gesteigerte „Staatsfeindlichkeit“ unter jungen Gewalttätern fest. Innenminister Schünemann will das Strafrecht verschärfen.
Viele Polizisten dürfen sich durch eine Studie im Auftrag des Landes in der Einschätzung bestätigt fühlen, „die Prügelknaben der Nation“ zu sein, wie es die Deutsche Polizeigewerkschaft gestern formulierte. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), sagte am Dienstag in Hannover, aus Sicht der Beamten sei die „Feindschaft gegenüber der Polizei beziehungsweise dem Staat“ ein häufiges Motiv für gewalttätige Angriffe auf Polizeibeamte. „Die Polizei wird geprügelt, weil man den Staat meint“, sagte der frühere niedersächsische Justizminister.
Die Erkenntnis stammt aus einer Befragung von 2600 Polizisten, die im Dienst so schwer verletzt worden sind, dass sie mindestens einen Tag im Krankenhaus behandelt werden mussten. Sie ist Teil einer großen Studie zur Gewalt gegen Polizeibeamte, die das KFN im Auftrag von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) anfertigt. Dafür sind insgesamt rund 21. 000 Polizisten aus zehn Bundesländern befragt worden. Schünemann sagte gestern bei der Vorstellung des zweiten Zwischenberichts der Studie, das häufig von jungen Tätern genannte Motiv „Feindschaft gegenüber der Polizei“ deute auf eine „Werteerosion“ hin, „die erheblichen gesellschaftspolitischen Handlungsbedarf erkennen lässt“.
Angriffe gegen Polizeibeamte gehen besonders häufig von jungen Männern aus, hat der zweite Teil der KFN-Studie ergeben. Zwei von fünf Gewalttätern hätten eine nicht deutsche Herkunft. „Der Migrationshintergrund ist erheblich höher als erwartet“, sagte Schünemann. Laut Pfeiffer kommen sie vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion sowie aus der Türkei und anderen islamischen Ländern. Auch eine feindselige Einstellung gegenüber dem Staat fände sich unter diesen Tätern häufiger als unter Deutschen.
Laut Schünemann hat es in den vergangenen Jahren einen starken Anstieg bei den Gewalttaten gegen Polizisten gegeben. Als Konsequenz daraus hat Niedersachsen in der vergangenen Woche eine Gesetzesinitiative zur Verschärfung des Strafrechts in den Bundesrat eingebracht. Danach soll die Höchststrafe für Widerstand gegen Polizeibeamte von zwei auf drei Jahre angehoben werden. Die Strafandrohung war bisher nur dann einschlägig, wenn Polizisten während einer Vollstreckungshandlung, zum Beispiel einer Festnahme, angegriffen wurden. Auch das soll sich ändern.
Die Gewerkschaft der Polizei forderte gestern, dass auch die Justiz eigene Konsequenzen aus der KFN-Studie ziehen müsse. Danach wird fast jedes dritte Strafverfahren in solchen Fällen eingestellt. „Das sorgt für erheblichen Frust unter den Beamten“, sagte Pfeiffer. Schünemann will darauf durch bessere Beweissicherung reagieren, aber auch mit Justizminister Busemann sprechen.