Martina Kausch
Das Fußballspiel des FC Sachsen gegen den HSV II im Stadion an der Ochsenzoller Straße hatte jetzt ein Nachspiel
Norderstedt. Das Fußballspiel des FC Sachsen gegen den HSV II im Stadion an der Ochsenzoller Straße in Norderstedt verlief friedlich, doch dann war einer der Sachsen-Fans durch die 0:4-Niederlage seines Vereins anscheinend doch so gefrustet, dass er sich beim Hinausgehen aus dem Stadion durch ein von einem HSV-Fan hinterher gerufenes Schimpfwort so provoziert fühlte, dass er dem HSV-Fan die Faust ins Gesicht schlug.
Ein Riesentumult entstand: Eine Gruppe von etwa 20 Sachsen-Fans, die eigentlich schon auf dem Rückweg bei ihren Fahrzeugen oder ihrem Bus waren, kehrten um und versuchten, erneut ins Stadion zu gelangen. Die Polizei errichtete Sperren und bildete eine Kette mit zwei Polizeihunden mit Maulkörben davor. Als die aufgebrachten Fans auf die Polizisten und die Hunde einschlugen und traten, wurden die Maulkörbe der Hunde entfernt mit dem Ergebnis, dass mehrere Fans gebissen wurden, auch Pfefferspray kam zum Einsatz. Erst als Verstärkung aus Hamburg anrückte, beruhigte sich die Lage.
Eine Gruppe von fünf Sachsen-Fans reiste nun wieder aus Leipzig nach Norderstedt – dieses Mal zum Termin vor dem Amtsgericht, denn die vier Männer und eine Frau sollen Polizisten und Diensthunde angegriffen haben und wurden unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung angeklagt.
Mike W., 45, der an der anfänglichen Schlägerei mit dem HSV-Fan beteiligt war, erinnert sich nur daran, dass ein Hund ihn sogar noch angriff, als er schon am Boden lag. Er zeigt Richter Reinhard Leendertz die noch deutlich sichtbaren Narben an den Armen.
Dass Mike W. am Boden lag, scheint der Auslöser der Krawalle gewesen zu sein, denn die anderen Angeklagten, Stefan T., 34, Roland B., 45, Enrico S., 47, und Elke P., 49, berichten alle davon, dass sie zu dem reglos am Boden Liegenden wollten, um ihm zu helfen. Die Polizei habe aggressiv reagiert und gleich die Hunde auf sie gehetzt und Pfefferspray gesprüht. Enrico S. gibt zu, einen Teil des Absperrzaunes in Richtung der Polizisten erhoben zu haben, damit habe er sich aber nur vor den Hunden schützen wollen.
Es werden Zeugenaussagen verlesen von sächsischen Polizisten, die in Zivil zur Unterstützung der Norderstedter Kollegen im Stadion waren.
Darin ist die Rede von einem völlig außer Kontrolle geratenen Polizeihund, der wild um sich gebissen habe, sogar seinen eigenen Hundeführer soll das Tier angefallen haben.
In den Aussagen der Sachsen kommen deren Landsleute durchweg positiv weg, sie seien friedlich gewesen, aber die Polizei angeblich völlig überfordert.
Mehrere an dem Einsatz beteiligte Norderstedter Polizisten stellen die Situation anders dar: Die überwiegend stark alkoholisierte Fan-Gruppe aus Sachsen, zu denen die Angeklagten gehörten, hätten sich einen Spaß daraus gemacht, die Hunde zu provozieren, sie hätten sich auf sie fallen lassen und sie mit Tritten traktiert, sodass die Hundeführer ihren Tieren die Maulkörbe abnahmen.
Dass der am Boden liegende Mike W. noch gebissen wurde, schließt der Hundeführer in seiner Aussage nicht aus. Er selbst wurde von einem scharfen Gegenstand, vermutlich einem Messer, an der Hand verletzt und blutete stark, erzählt der Polizist Thorsten R., 45, noch immer sichtlich mitgenommen, so etwas habe er in 28 Jahren und Einsätzen in Brokdorf und Gorleben noch nicht bei seiner Arbeit erlebt.
Der Messerstecher wurde nicht ausfindig gemacht, wie auch andere Einzelheiten des Geschehens nicht geklärt werden können, es habe das „absolute Chaos getobt“, so eine Polizistin.
Der Einsatz ist nach Ansicht des Richters nicht optimal gelaufen, denn die Norderstedter wussten nicht einmal, dass Zivilbeamte aus Sachsen zu ihrer Unterstützung im Stadion waren.
Hinsichtlich von Mike W. schlägt der Richter schließlich eine Verfahrenseinstellung vor, da er selbst erheblich verletzt wurde. Ebenso sollte nach seiner Ansicht bei Elke P. verfahren werden, denn die Faustschläge, die sie einem Beamten versetzte, hat dieser nach eigener Darstellung wegen der dicken Schutzkleidung gar nicht gemerkt. Auch die anderen Angeklagten kommen mit einer Verfahrenseinstellung davon, nur gegen Enrico S., der nach Meinung des Gerichts die Polizisten mit einem Absperrgitter bedrängte, wird eine Auflage verhängt – er muss 50 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.
So gehen vier Stunden mühsamer Verhandlung und Zeugenverhöre unvermutet schnell zu Ende.