Razzia in der „Praxis“ – Dresdner Polizei durchsucht Wohnprojekt in der Columbusstraße
Matthias Roth/Christoph Springer
Dresden. Die Polizei ist am Morgen in Dresden zu einer Razzia in das linksalternative Wohnprojekt „Praxis“ eingerückt. Das bestätigten die Beamten auf Anfrage von DNN-Online. Genaue Hintergründe wollten sie nicht nennen und verwiesen auf eine gemeinsame Erklärung von Landeskriminalamt (LKA) und Staatsanwaltschaft am Mittag.
Die „Praxis“ stand bereits im April im Visier der Ermittler. Doch zur Durchsuchung des Wohnprojekts – es trägt den Namen Praxis, weil sich dort früher eine Zahnarztpraxis befand – kam es nicht. „Aufgrund der Erkenntnisse kurz vor der geplanten Durchsuchung sind wir davon ausgegangen, dass sie gegebenenfalls an die Bewohner weitergegeben worden ist“, sagte Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft später.
Haase ließ offen, um was für „Erkenntnisse“ es sich genau handelte. Seinen Worten kann man aber entnehmen, dass in dem Haus rege Geschäftigkeit einsetzte, nachdem die Bewohner erfahren hatten, dass die Razzia bevorsteht. Beweismittel könnten dabei beiseite geschafft worden sein; die Durchsuchung wurde schließlich „kurze Zeit vorher abgesagt“, so Haase. Die Beamten suchten fortan nach einer undichten Stelle in den eigenen Reihen, bisher ohne Erfolg.
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Andere Objekte in Sachsen wurden vor gut einem Monat dennoch durchsucht, darunter auch im Leipziger Stadtteil Connewitz. Es handelte sich insgesamt um rund 20 Wohnungen und Geschäftsräume, wie LKA und Staatsanwaltschaft berichteten: Computerfestplatten, USB-Sticks, Daten-CDs, Reizgas, Schlagstöcke und Masken zur Vermummung stellten die Beamten dabei sicher. Die Ermittlungen richten sich gegen 17 Verdächtige – 16 Männer und eine Frau. „Man kann nicht sagen, nur weil eine Durchsuchung nicht geklappt hat, sind die anderen wertlos“, sagte Haase. Die Auswertung sei noch nicht abgeschlossen.
Dass auch die Praxis im Fokus ist, begründeten die Beamten vor zwei Wochen mit einem Ereignis aus dem August 2010. Damals griffen zwölf bis 15 Vermummte zwei Männer an, die unmittelbar zuvor an Attacken gegen das linke Wohnprojekt beteiligt waren. Sie verfolgten die Männer und prügelten auf sie ein. Ein Vermummter warf einen Stein und verletzte damit einen der Männer am Ohr.
Zuletzt stand das Dresdner Gebäude am 19. Februar im Mittelpunkt. Damals griffen Rechte das Projekthaus an. Die Polizei reagierte nicht unmittelbar; vor Ort waren nur wenige Beamte, die den Verkehr regeln sollten. Die Horde vor dem Gebäude skandierte Angriffsparolen, Fenster wurden eingeschlagen und Steine gegen das Gebäude geworfen, wie Videos zeigen, die von Zeugen im Internet veröffentlicht worden sind. In der Praxis haben sich die Bewohner laut unbestätigten Angaben auf solche Attacken vorbereitet, indem sie zum Beispiel Steine für Abwehrgefechte bereithielten.
© DNN-Online, 03.05.2011, 11:10 Uhr