Morgenweb, 13.09.2010

„Tag der Helfer“: Hilfsorganisationen präsentieren sich und tragen der Politik ihre Probleme vor / Specht sagt Gespräche zu

Retter sind selbst in Nöten
Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge

Die Stadtverwaltung will bei einem Gesprächskreis die zunehmenden personellen und finanziellen Probleme der Rettungs- und Hilfsorganisationen besser kennenlernen und dann darauf reagieren. Das sagte Erster Bürgermeister Christian Specht, der auch Sicherheitsdezernent ist, bei der Eröffnung vom „Tag der Helfer“ zu. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, der später dazukam, kündigte an, den nächsten Neujahrsempfang der Stadt am 6. Januar 2011 unter das Motto „Sichere Stadt“ zu stellen. „Das soll ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für das Ehrenamt sein“, so der OB.

Um die Bedeutung dieses Ehrenamts zu betonen, die Helfer aber auch untereinander und mit Hauptamtlichen besser bekanntzumachen, hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund den „Tag der Helfer“ ins Leben gerufen. Gestern präsentierten sich am Technoseum Vertreter aller Organisationen und machten auf ihre drängenden Probleme aufmerksam.

„Wir haben ja heute auch den ,Tag des Denkmals‘, spottete etwa Malteser-Helfervertreter Wolfgang Hettinger, als er den vom Anfang der 70er Jahre stammenden Einsatzleitwagen präsentierte. „Der wird das Digitalfunkzeitalter nicht überleben, wir als Organisation haben kein Geld, ihn nachzurüsten, die Finanzierung dafür hat der Gesetzgeber schlichtweg vergessen“, beklagte er.

„Der bricht sicher bald zusammen“, stellte auch Torsten Ahl von der DLRG einen Wagen vor: „Wir kämpfen alle mit überalterten Fahrzeugen“, klagte er. So ist das Tanklöschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Innenstadt 30, die Drehleiter 29 Jahre alt, so Kommandant Marcus Widder. Es gibt aber auch moderne Ausrüstung – gerade stellte das Land den Katastrophenschutz-Einsatzeinheiten Sanitätsdienst neue Krankentransportwagen zur Verfügung. Darüber sei man „froh und dankbar“, so Michael Höhne vom DRK. „Ein super Fahrzeug, eine super Motivation für die Helfer“, freute sich Johanniter-Ehrenamtsbeauftragter André Kühner zwar. Den neuen, größeren Fahrzeugtyp dürften die Helfer indes mit ihrem neuen, normalen Pkw-Führerschein nicht steuern. „Das macht uns massive Probleme, auszurücken, denn erst müssen wir alle nachschulen, die im Einsatz als Fahrer infrage kommen, das kostet Zeit und Geld, daran hat keiner gedacht“, kritisierte Kühner.

Torsten Ahl bat Oberbürgermeister Kurz für die DLRG, dass die Stadt den Wegfall der Beheizung der Vorort-Freibäder noch mal überdenkt: „In teils 17 Grad kaltem Wasser kann man keine Ausbildung machen!“

Appell an Arbeitgeber
Nahezu alle Organisationen meldeten, wenn auch unterschiedlich intensiv, Nachwuchsmangel – der sich verschärfe, wenn mit der Wegfall der Wehrpflicht kein Ersatzdienst mehr im Katastrophenschutz möglich ist. Die Freiwillige Feuerwehr, berichtete Marcus Widder, rekrutiere ihren Nachwuchs inzwischen überwiegend aus der Jugendfeuerwehr. Die Rettungsorganisationen bauen zunehmend Schulsanitätsdienste auf, der ASB an mittlerweile sechs Schulen, die Johanniter an 18 Schulen, die Malteser demnächst erstmals auf der Vogelstang.
Doch eine fundierte Ausbildung im Rettungsdienst, die früher während des Ersatzdienstes vermittelt werden konnte, sei da nicht mehr möglich. „Dafür müsste jemand zwei Jahre lang seinen kompletten Jahresurlaub nehmen, das ist unmöglich, das funktioniert nicht“, mahnte André Kühner.
Zugleich äußerte er sich dankbar für das Gesprächsangebot von Specht: „Für uns total klasse und ein Zeichen, dass man uns ernst nimmt.“ Die Stadt habe inzwischen auch begonnen, Ehrenamtlichen zumindest kleine Zeichen der Wertschätzung zukommen zu lassen – „das kommt gut an“, dankte er.

Erster Bürgermeister Specht nutzte den „Tag der Helfer“, den Ehrenamtlichen für ihren „enorm wichtigen Dienst“ zu danken. Die Vorführungen zeigten, „dass junge Menschen Spaß daran haben, im Team zu helfen“. Zugleich appellierte er an alle Arbeitgeber, Bewerber bevorzugt einzustellen, die sich in Hilfsorganisationen engagieren: „Wenn jemand sich über das normale Maß einsetzt, im Team arbeitet und Menschen hilft – das sind doch gerade die sozialen Kompetenzen, die die Wirtschaft immer sucht, deshalb schauen Sie darauf“, so Specht.

Im Archiv stöbern