Sachsens Ermittler im Fokus – Vorgehen umstritten
Dresden Sachsen kommt nach den Gewaltexzessen am Rande der Neonazi-Aufmärsche im Februar nicht aus den Schlagzeilen. Als etwa 30 Dresdner Polizisten am Mittwoch die Dienstwohnung des abwesenden Jenaer Jugendpfarrers Lothar König durchsuchten, ging zugleich eine neue Runde in den Ermittlungen los.
König wird vorgeworfen, am 19. Februar aus seinem Kleinbus mit einem Lautsprecher Demonstranten zur Gewalt gegen Polizisten angestachelt zu haben. Er weist das zurück. Die Linken im Landtag von Sachsen finden den Vorwurf absurd. „Für mich wirkt die Durchsuchungsmaßnahme in Jena wie ein übles und nicht hinnehmbares Revanchefoul. Im Fußball sieht man dafür die Rote Karte“, sagte Linksfraktionschef André Hahn und meint damit Aussagen Königs im „Spiegel“. Weil die Staatsanwaltschaft Dresden gegen ihn wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt hatte, sagte König dem Magazin: „Das sind SED-Methoden! Mein Glaube an den Rechtsstaat ist erschüttert.“

Der Vorwurf zur kriminellen Vereinigung ist zwar offenkundig vom Tisch. Dennoch wird gegen ihn weiter ermittelt: wegen „aufwieglerischen Landfriedensbruchs“. Nicht nur die Linken sehen die „Causa König“ als weiteres Glied in einer Kette von umstrittenen Ermittlungen. Nachdem sich im Februar 2010 Tausende Menschen in Dresden den Neonazis in den Weg stellten, hatte die Staatsanwaltschaft gegen führende Politiker der Linken Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingleitet. Bis auf vier Verfahren sind alle eingestellt – das Quartett der angeblichen Rädelsführer besteht aus den Chefs der Linken in den Landtagen von Thüringen, Sachsen und Hessen: Bodo Ramelow, André Hahn und das hessische Duo Janine Wissler und Willi van Ooyen.

Am 19. Februar stürmte die Polizei die sächsische Parteizentrale der Linken und verwüstete ein Anwaltsbüro und Räume von Vereinen gleich mit. Der Durchsuchungsbefehl hatte eigentlich einer anderen Immobilie gegolten.

Den vorläufigen Höhepunkt brachte dann im Juni die Han dydaten-Affäre. Um Straftäter des 19. Februars zu finden, hatte die Polizei mit richterlicher Genehmigung Tausende Mobilfunkdaten ermittelt. „Inzwischen dürfte jeder einzelne Demonstrant der sächsischen Justiz bekannt sein“, sagt Hahn. Bei all diesen Vorgeschichten überrascht es kaum, dass nun die Kritik von Parteien, Verbänden und Kirchenvertretern harsch ausfällt.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) schweigt dazu und verweist ans Justizministerium. Nur die Regierung verteidigt das Vorgehen: „Niemand steht in einem Rechtsstaat über oder außerhalb der Gesetze, auch ein Pfarrer nicht.“
dpa/uf

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