Leipziger Volkszeitung, 07.12.2010
Kampf gegen Internetkriminalität: Sachsens Polizei will IT-Spezialisten abwerben
Matthias Roth/dpa
Wollen hochqualifizierte IT-Spezialisten auf dem freien Markt abwerben: Landespolizeipräsident Bernd Merbitz (links) und Innenminister Markus Ulbig (CDU). Leipzig/Dresden. Sachsens Polizei will trotz geplanter Stellenstreichungen hochqualifizierte Spezialisten auf dem freien Markt abwerben. „Die Kriminalität findet immer stärker im Internet statt“, sagte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Montag nach einer Beratung mit Revierleitern der Polizeidirektion Leipzig und Westsachsen.
Da müssten auch die Ermittler mit dem Schrittmaß mithalten. Sachsen wollen deshalb externe IT-Spezialisten bei der Polizei einstellen. „Die gibt es nicht für ein Apfel und ein Ei“, weiß Landespolizeipräsident Bernd Merbitz . Das müsse im Haushalt bedacht werden. Gewonnen werden sollen die Experten direkt von bereits bestehenden Unternehmen. „Da müssen wir in die Märkte rein“, so Merbitz. Wie viele Internetspezialisten für die Kriminalisten arbeiten sollen und wann die ersten Arbeitsverträge unterzeichnet werden, ist noch unklar.
zum Thema Dynamo Dresden verbucht Etappensieg – Zahl der Polizisten bei Heimspielen sinkt Heimspiel für die Branche: Politik und Wirtschaft treffen sich zum IT-Gipfel in Dresden Klausel zur Verfassungstreue bei staatlicher Föderung beschäftigt den Landtag Trotz dieser Pläne steht der Innenminister weiter in der Kritik der Gewerkschaften. Grund ist der geplante Stellenabbau in anderen Bereichen der Ordnungskräfte. Die angedachten Kürzungen gefährdeten die Sicherheit im Freisstaat. „Das ist kein Spiel mit der Angst, das sind Fakten“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Hagen Husgen, am Montag in Dresden. Die vom Innenministerium Anfang November vorgestellte Polizeireform bis 2020 könne in der Diskussion nur ein „kleiner Anfang“ sein.
Danach soll in den kommenden zwölf Jahren die Zahl der Polizisten um 2631 auf 11 280 zurückgehen. Es ist Husgen zufolge absehbar, dass dies auch den Streifendienst betreffen werde. Die GdP fordert einen Stopp der Stellenstreichungen.
Ulbig lässt die Bedenken der GdP nicht gelten. „Die Zahl der Streifenbeamten bleibt bestehen“, sagte er in Leipzig. Ebenso werde nicht bei der Bereitschaftspolizei und den Bürgerpolizisten gekürzt. Im ländlichen Raum, so Ulbig, soll für 7500 Einwohner ein Bürgerbeamter zuständig sein. In der Großstadt gelte ein Schlüssel von 1 zu 15.000.
Das Versprechen der Regierung, für ein enges Netz von Bürgerpolizisten zu sorgen, sei eine „Beruhigungspille“, sagte Husgen. Nach den Kriterien der Reform würden derzeit allein in der Polizeidirektion Südwestsachsen 78 Bürgerpolizisten fehlen. Von ihnen gebe es dort momentan 23.
Laut Bund-Länder-Abkommen muss Sachsen acht Hundertschaften Bereitschaftspolizei haben, sagte Husgen. Tatsächlich gebe es im Freistaat aber nur sieben Hundertschaften, wobei 161 Beamte fehlten. Es sei „ein Unding“, wenn in dem Papier behauptet werde, die Bereitschaftspolizei verbleibe in voller Stärke. Die GdP fordert deshalb, die Aufgaben der Polizei zu analysieren, ehe Änderungen bei der Organisation geplant würden. Zudem müssten die Altersabgänge durch Neueinstellungen kompensiert werden.
Ein Lenkungsausschuss mit Beratern aus Berlin und Nordrhein-Westfalen hat die vom Innenminister genannten Zahlen empfohlen. Künftig solle Sachsen nicht mehr Polizisten pro Einwohner beschäftigen als in den westdeutschen Flächenländer. In Sachsen beträgt das Verhältnis derzeit von einem Polizisten auf 357 Bürger. Angestrebt wird vom Innenminister ein Schlüssel von einem Beamten auf 433 Einwohner.
Ulbig wolle deshalb in der Führungsebene und der Verwaltung kürzen. 30 Prozent der Stellen sollen in diesem Bereich bis 2020 wegfallen. Zudem müsse geprüft werden, ob die Polizei noch alle Aufgaben selbst erfüllen müsse. So sollen Autowerkstätten geschlossen werden. Wartung und Reparatur von Polizeifahrzeugen könnten private Handwerksmeister übernehmen. Nur eine Werkstatt für polizeiliche Spezialeinbauten solle weiter betrieben werden.
Ulbig versteht, dass es bei der Reform nicht nur zufriedene Gesichter gibt. „Die Revierleiter haben mir gesagt, dass sie inzwischen reformmüde sind“, so der Ressortchef. Durch die langfristige Ausrichtung, ständen sie den Plänen aber positiv gegenüber. Kein Verständnis hat Ulbig für einen Aufruf der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) zu zivilem Ungehorsam vom vergangenen Freitag.
Die Mitarbeitervertreter forderten alle Beamten im öffentlichen Dienst dazu auf, sich gegen die geplante Streichung des Weihnachtsgeldes zu wehren. „Wenn uns der Freistaat nicht entgegen kommen will, müssen wir ihm die Grenzen aufzeigen“, sagte der DPolG- Vorsitzende. Die Beamten sollten „Dienst nach Vorschrift“ machen, etwa wenn Überstunden anfielen. Verkehrssünder könnten mit einer Belehrung davonkommen, wo sonst Verwarngelder kassiert würden. „Die meisten Polizisten werden dem Aufruf nicht folgen“, ist sich der Innenminister sicher.