Freie Presse 27.08.2012 ( von Uwe Kuhr )

Der Freistaat will nach einer Testphase jetzt sechs Kennzeichenlesegeräte anschaffen – Richter kritisieren den Einsatz

Dresden. Sachsen will künftig mit mobilen Kfz-Kennzeichenlesegeräten auf Autobahnen und Bundesstraßen auf Verbrecherjagd gehen. Kurz vor dem Abschluss erster Gerätetests im Freistaat hat das Innenministerium mitgeteilt, dass es sechs derartige Computersysteme zum Stückpreis von 25.000 Euro anschaffen will. Damit solle vor allem der Autodiebstahl eingedämmt werden, heißt es. Um Kennzeichenscanner in Sachsen einsetzen zu können, hatte der Landtag im Herbst 2011 das Polizeigesetz geändert. Der Einsatz dieser Geräte gilt bei Bundesgerichten als umstritten.

Zu Testzwecken nahm Sachsens Polizei bisher zwei unterschiedlichen Automatentypen über je 28 Tage unter die Lupe. Das geschah im Stadtgebiet von Görlitz, an der Autobahn 4 und an der Bundesstraße 115 in Ostsachsen. Dabei wurden insgesamt 18.341 Kennzeichen gescannt und mit Fahndungslisten wie der Zentraldatenbank Inpol abgeglichen. Dies wurde durch eine Anfrage der Grünen im Landtag bekannt.

Die Testergebnisse seien mager, sagte deren innenpolitische Sprecherin Eva Jähnigen. Ein gestohlenes Auto konnte nicht sichergestellt werden, so das Innenministerium. In 14 Fällen sei es zu Treffern gekommen, in deren Folge die Identität der Fahrzeugführer festgestellt wurde. Zudem habe es zwei Zwangsstilllegungen von Fahrzeugen wegen fehlenden Versicherungsschutzes gegeben. Die anderen erfassten Autonummern seien gelöscht worden, so Innenminister Markus Ulbig (CDU). Er musste einräumen, dass die Treffersicherheit der Geräte stark von Umwelt- und Lichteinflüssen abhängig sei.

Der Einsatz der Geräte beschäftigt weiter die Gerichte. Richter bemängeln, dass derartige Scanner den Eindruck eines Überwachungsstaates entstehen lassen könnten. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2008, dass diese Kennzeichenlesegeräte nur bei einem angemessenen Anlass, nicht flächendeckend und nicht dauerhaft eingesetzt werden dürften. Ansonsten würden Persönlichkeitsrechte der Bürger verletzt.

Die Gewerkschaft der Polizei bezweifelt die Wirksamkeit der Technik. Sie mache nur Sinn, wenn Polizisten dem Täter hinterherfahren können. Ulbig solle den Kauf von Kfz-Scannern überdenken, so Jähnigen. „Im Vergleich von Trefferquote und Nutzen ist ihr Einsatz unverhältnismäßig.“

Etwa die Hälfte der 16 Bundesländer setzt diese Technik ein. Hessen und Schleswig-Holstein wurden vom Bundesverfassungsgericht gerügt. Auch Bayern betreibt mindestens 22 solcher Geräte.

Brandenburg nimmt seit 2006 Kennzeichen-Scans vor. 2011 gab es 102 automatisierte Kennzeichenfahndungen, davon 81 zum Auffinden von vermissten Personen. Beim Fußballspiel Energie Cottbus gegen Dynamo Dresden im Juli 2011 wurden so Hooligan-Bewegungen beobachtet. Im Dezember 2011 ging ein in Sachsen gesuchter Mörder in die Falle. Gegen den Kfz-Diebstahl in Brandenburg gilt diese Technik als wenig erfolgreich.

Das polizeiliche Informationssystem Inpol ist ein Datenverbund zwischen Bund und Ländern. Es besteht aus verschiedenen Dateien zur Personen- und Sachfahndung, der Haftdatei und dem Erkennungsdienst. (uk)

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