Handelsblatt, 11.08.2010
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist bemüht, mit schnellen politischen Entscheidungen die Debatte um die Sicherungsverwahrung zu beenden. Derweil gewinnt die Diskussion an Schärfe: SPD-Innenexperte Wiefelspütz griff den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft wegen dessen Forderung nach einem Internet-Pranger für Sexualstraftäter scharf an.
HB ESSEN. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat in der Debatte um die Sicherungsverwahrung eine „schnelle politische Entscheidung“ bis September angekündigt. Sein Vorschlag, für rückfallgefährdete entlassene Straftäter eine neuartige Unterbringung zu schaffen, die sich von Gefängnis und Psychiatrie unterscheidet, sei ohne „großen Aufwand“ umzusetzen; etwa an den Standorten von bestehenden Justizvollzugsanstalten, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der WAZ-Gruppe.
Anderslautenden Vorstellungen des FDP-geführten Justizministeriums entgegnete der Minister: „Die Fußfessel ersetzt niemals den Schutz der Bevölkerung durch Unterbringung von gefährlichen Straftätern.“ Der CDU-Politiker äußerte Verständnis für die öffentliche Unruhe, die das Urteil aus Straßburg ausgelöst hat, wonach bestimmte Schwerstkriminelle auf freien Fuß gesetzt werden müssen. „Eine gehäufte und, was noch wichtiger ist, eine unvorbereitete Freilassung von Extrem-Straftätern, löst Besorgnis aus. Das kann ich gut nachvollziehen“, sagte er.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz attackierte unterdessen den Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wegen dessen Forderung nach einem Internet-Pranger für Sexualstraftäter. „Ich halte das für gefährlichen Schwachsinn, was Herr Wendt da von sich gibt“, sagte Wiefelspütz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das ist extrem verantwortungslos und aus meiner Sicht nicht nur verfassungswidrig, sondern verfassungsfeindlich.“ Es sei „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, dass ein erfahrener Polizeibeamter so einen Unfug von sich gibt“. Wiefelspütz betonte: „Die Bürger werden durch die Polizei geschützt und nicht durch das Internet. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und nicht auf der Straße.“ Alles andere sei „Mittelalter“. „Wendt taucht immer wieder durch markige Sprüche auf“, so der SPD-Politiker. „Hier ist er erheblich zu weit gegangen.“
Wendt wies die Vorwürfe zurück. „Was Herrn Wiefelspütz betrifft, sollte er einen längeren Entspannungsurlaub nehmen und sich ausreichend informieren“, sagte Wendt Handelsblatt Online. Zugleich bekräftigte der Polizeigewerkschafter seine Position. „Ich bleibe bei meiner Forderung, die Bürgerinnen und Bürger über das Internet zu warnen, wenn aus der Sicherungsverwahrung entlassene Sexualstraftäter in ihre Nähe ziehen“, sagte Wendt. Natürlich sei das nur die zweitbeste Lösung. „Aber solange die Länder für keine zufriedenstellende Lösung, das heißt für eine sichere Unterbringung nach der Haftzeit sorgen, müssen andere Wege in Betracht gezogen werden.“ Der Schutz der Bevölkerung stehe an erster Stelle. „Im Übrigen haben sich namhafte Abgeordnete der Regierungskoalition meiner Forderung angeschlossen“, fügte Wendt hinzu.