Nr. 14/2011

Rechtssicherheit für die Versicherten
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
am 30. Mai 2011 hat die dbb tarifunion mit dem Bund, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) in den Tarifverhandlungen zum Thema Zusatzversorgung einen Abschluss erzielt. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand die rechtssichere Umsetzung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs (BGH) bezüglich der Berechnung der so genannten Startgutschriften, also der An-wartschaften, die den Beschäftigten im Rahmen der Umstellung des Systems der Zusatzversorgung von der Gesamtversorgung auf das Punktemodell zum 31. Dezember 2001 gutgeschrieben wurden. Gewerkschaften und Arbeitgeber haben nun neue Berechnungsgrundlagen für die Startgutschriften rentenferner Jahrgänge vereinbart und sich auf weitere Anpassungen in den Tarifverträgen zur Zusatzversorgung verständigt.
Mit Urteil vom November 2007 hatte der BGH die Tarifvertragsparteien aufgefordert, eine Neuregelung für die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge – also für die Beschäftigten, die zum Umstellungsstichtag am 31. Dezember 2001 noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet hatten – zu finden, da die bisherige Berechnungsweise für bestimmte Personengruppen nicht verfassungsgemäß sei. Das Gericht beanstandete, dass Versicherte mit längeren Ausbildungszeiten die volle Anwartschaft nach § 18 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG), die die Grundlage für die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge bildet, von vornherein nicht erreichen konnten. Dadurch wurden aus Sicht des BGH die Beschäftigten, die später in den Öffentlichen Dienst eingetreten sind, innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten unangemessen benachteiligt.
Des Weiteren hatte der BGH die Tarifvertragsparteien aufgefordert, die Auswirkungen der ausschließlichen Verwendung des so genannten Näherungsverfahrens im Rahmen der Ermittlung der Startgutschriften erneut zu prüfen, mit dem pauschal die auf die Gesamtversorgung anzurechnenden Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet werden, ohne die konkrete individuelle Anwartschaft des Versicherten heranzuziehen.
Durch weitere höchstrichterliche Urteile waren Arbeitgeber und Gewerkschaften darüber hinaus aufgefordert, die Benachteiligung von Frauen mit Mutterschutzzeiten sowie von Personen in eingetragenen Lebenspartnerschaften bei der Hinterbliebenenversorgung zu beenden.
Verbesserung bei Startgutschriften für rentenferne Beschäftigte mit langen Vorzeiten
Während die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft bei Betriebsrenten allgemein nach § 2 BetrAVG berechnet wird, besteht für den Öffentlichen Dienst die Sonderregelung des § 18 BetrAVG, auf dessen Grundlage die Startgutschriften der rentenfernen Jahrgänge nach der Systemumstellung errechnet wurden. Für die rentenfernen Jahrgänge hatte der BGH in seiner Entscheidung die Versorgungssätze nach § 2 BetrAVG mit denen nach § 18 Abs. 2 BetrAVG verglichen und im konkreten Beispielsfall die Differenz von 11,77 Prozentpunkten für nicht mehr zulässig erachtet. Auf der Basis dieser Vorgaben haben die Tarifvertragsparteien nun ein Vergleichsmodell dieser beiden Berechnungsmethoden vereinbart und eine maximal zulässige Abweichung von 7,5 Prozentpunkten definiert. Nach der alternati-ven Berechnungsmethode wird zunächst auf der Basis von § 2 BetrAVG nach den Vorgaben der Gesamtversorgungssystematik eine individuelle Voll-Leistung berechnet. Diese Voll-Leistung basiert auf den Pflichtversicherungszeiten und Halbanrechnungszeiten sowie dem fiktiven Nettoentgelt gemäß den zum Stichtag 31. Dezember 2001 maßgeblichen Parametern. Anschließend wird der nach § 2 BetrAVG ermittelte Versorgungsatz (Verhältnis der erreichten Betriebszugehörigkeit zur maximal erreichbaren Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze) – vermindert um 7,5 Prozentpunkte – mit der individuellen Voll-Leistung multipliziert. Ergibt der Vergleich, dass die nach der neuen Berechnungsmethode ermittelte Startgutschrift höher ist als diejenige, die sich auf der Grundlage des Versorgungssatzes gemäß § 18 Abs. 2 BetrAVG (Anzahl der Pflichtversicherungsjahre x 2,25 Prozent) ergibt, erhält der Betroffene einen Zuschlag zu seiner bisherigen Startgutschrift. Andernfalls bleibt die bisherige Startgutschrift bestehen (Bestandsschutz). Die Beschäftig-ten werden im Rahmen der üb-lichen Jahresmitteilung darüber informiert, ob sich ihre Startgutschrift nachträglich ab dem 1. Januar 2002 verändert hat.
Die Tarifpartner haben im Vorfeld sowie im Laufe der Verhandlungen umfangreiche Be-rechnungen durchführen lassen. Es hat sich hierbei gezeigt, dass die Neuberechnung der Startgutschriften tendenziell die Beschäftigten in größerem Umfang betrifft, die sich zum Zeitpunkt der Einführung des Punktemodells zum Ende des Jahres 2001 näher an den ren-tennahen Jahrgängen befanden, deren Startgutschrift noch auf der Basis des Gesamtver-sorgungsmodells errechnet wurde. Die dbb tarifunion wird auf ihrer Website www.tarifunion.dbb.de zeitnah weitere Erläuterungen veröffentlichen.
Keine Nachteile durch Verwendung des Näherungsverfahrens
Eine erneute Überprüfung der Auswirkungen des Näherungsverfahrens anhand konkreter Daten hat ergeben, dass sich dieses Verfahren in der weit überwiegenden Zahl der Fälle für die Versicherten günstig auswirkt, so dass es bei der Ermittlung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte auf Basis des Näherungsverfahrens verbleiben kann.
Keine zusätzliche finanzielle Belastung der Beschäftigten
Die ursprüngliche Forderung der Arbeitgeber, die Grundlagen des Punktemodells und das Niveau der Zusatzversorgung insgesamt in Frage zu stellen, konnte von den Gewerkschaften erfolgreich abgewehrt werden. Die nun beschlossenen Veränderungen im Übergangsrecht des Punktemodells bringen keine finanziellen Belastungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sich, sondern werden als mit dem Systemwechsel verbundene Anpassungen vollständig von der Arbeitgeberseite getragen.
Mutterschutzzeiten
Neben den neuen Regelungen zu den Startgutschriften verständigten sich die Tarifvertragsparteien auch bezüglich weiterer Themen auf Verbesserungen zugunsten der Versicherten. Mutterschutzzeiten werden künftig als Umlagezeiten in der Zusatzversorgung anerkannt, so dass auch diese Zeiten als Wartezeiten für die Entstehung des Anspruchs auf Zusatzversorgung gelten. Für Mutterschutzzeiten ab dem 18. Mai 1990 – für Beschäf-tigungszeiten ab diesem Zeitpunkt gilt die europäische Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit – bis zum 31. Dezember 2011 ist ein schriftlicher Antrag gegenüber der Zusatzversorgungseinrichtung mit entsprechenden Nachweisen notwendig.
Neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2011
Zur Umsetzung der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2011 (Aktenzeichen 1 BvR 1409/10) zur Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten aus dem Jahr 1988 werden die Tarifvertragsparteien nach Prüfung der Entscheidungsgründe Ge-spräche aufnehmen.
Eingetragene Lebenspartnerschaften
Des Weiteren sind Personen, die in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, künftig bezüglich der Hinterbliebenenversorgung Ehegatten gleichgestellt. Die von den Gerichten festgestellte Diskriminierung von Frauen mit Mutterschutzzeiten sowie von Personen in eingetragener Lebenspartnerschaft ist damit beseitigt.
Eine Erklärungsfrist für beide Seiten läuft bis zum 31. Juli 2011. Bis dahin soll auch die Redaktion der Tarifvertragstexte abgeschlossen sein.
Die dbb tarifunion ist der Ansicht, dass mit dieser Einigung die höchstrichterlichen Vor-gaben rechtssicher umgesetzt sind. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass auch künftig einzelne Versicherte eine gerichtliche Überprüfung ihrer Anwartschaften in der Zusatzversorgung anstreben werden. Diesbezüglich weisen wir entsprechend unseren Ausführungen im Rundschreiben der dbb tarifunion Nr. 18 / 2003 vom 18. März 2003 erneut darauf hin, dass der dbb beamtenbund und tarifunion im Hinblick auf den Gesamtkompromiss der Ausgestaltung der Zusatzversorgung, den die dbb tarifunion als Tarifvertragspartei mitträgt, auch weiterhin keinen Rechtsschutz bezüglich struktureller Fragen der Zusatzversorgung gewähren wird.
Mit freundlichen Grüßen
Frank S t ö h r
1. Vorsitzender

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3. Juni 2011 Be/Sz/ph

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