Spiegel online, Thüringer Landeszeitung u.a., 19.05.2010

Weniger Straftaten

Polizisten sichern die 1. Mai-Demonstration in Erfurt ab. Laut Kriminalsstatistik gab es in Deutschland im vergangenen Jahr weniger Straftaten.

Den Stolz in seiner Stimme konnte Thomas de Maizière nicht verbergen: Deutschland ist sicherer geworden. Als Beleg für diese Einschätzung stellte der Bundesinnenminister gestern die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2009 vor.

Berlin. Die Zahl der Straftaten ging in Deutschland auf 6,05 Millionen zurück (minus 1 Prozent), die Aufklärungsquote war mit 55,6 Prozent auf dem höchsten Niveau seit 1993. Ganz entspannt ist de Maizière aber nicht: Gewalt unter Alkoholeinfluss und die steigende Kriminalität im Internet bereiten ihm weiter Sorgen.

Auch wenn der CDU-Politiker eine viel höhere Dunkelziffer vermutet, fiel die Zahl sexuell missbrauchter Kinder um 6,1 Prozent auf 11 319 Taten. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 208 446 Gewaltdelikte (minus 1,2 Prozent) gezählt, bei jedem dritten war Alkohol im Spiel. Immerhin: 2009 sind neun Prozent weniger Jugendliche straffällig geworden als noch 2008. Konträr dazu nimmt die Brutalität zu: „Einzelne Taten sind besonders intensiv“, sagte de Mazière und verwies aktuell auf die Messerattacke in Hamburg, bei der am vergangenen Wochenende ein 19-Jähriger niedergestochen wurde.

Auch Ordnungshüter sind immer häufiger Zielscheibe. 2009 wurden 1555 Bundespolizisten angegriffen und 985 verletzt. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus kündigte für die Innenministerkonferenz Ende Mai eine Verschärfung der Strafverfolgung an: „Wir warten nicht weitere Studien ab, sondern setzen ein Zeichen.“ Ahlhaus kritisierte die verstärkte Brutalität von Bürgern gegenüber Polizeibeamten im Einsatz. Es handele sich dabei nicht nur um eine quantitative, sondern auch um eine qualitative Entwicklung. „Wir erleben einen massiven Verlust an Respekt vor den Beamten“, sagte Ahlhaus.

Der Bundesinnenminister hob hervor, dass Senioren verhältnismäßig selten Opfer von Straftaten werden. „Die Hauptopfer sind Erwachsene im Alter zwischen 21 und 60 Jahren.“ Es gebe zwar Raub an Älteren, aber insgesamt seien diese Opfer anders als in ihrer subjektiven Wahrnehmung deutlich unterrepräsentiert.

Was die Kriminalstatistik ebenfalls ausweist: Laut Bundesinnenminister ist der Anteil der Ausländer an den Strafverdächtigen überproportional höher als ihr Anteil an der Bevölkerung insgesamt. Auch bei der Organisierte Kriminalität sei der Anteil nicht-deutscher Strafverdächtiger höher als ihr Bevölkerungsanteil. Häufig handele es sich aber bei der Organisierten Kriminalität um gemischt-nationale Gruppen, zum Beispiel um „Italiener und Deutsche“, sagte de Maizière.

Dass sich Internetnutzer nicht mehr sicher sein können, ist längst bekannt. 2009 registrierte die Polizei 207 000 Straftaten (plus 23 Prozent) in Verbindung mit dem world wide web. Besonders der Computerbetrug (22 963 Fälle, plus 35 Prozent) sowie das Ausspähen und Abfangen der Daten (11 491, plus 48,7 Prozent) nahmen zu. Gleichzeitig kündigte Thomas de Maizière an, hart gegen kinderpornographische Inhalte vorgehen zu wollen. Die meisten der 150 Angebote kämen zwar aus dem Ausland, „aber kein Angebot ohne Nachfrage: Und diese Nutzer wohnen in Deutschland.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) warnte unterdessen vor zu viel Euphorie angesichts der positiven Entwicklung und vor der Aussage, Deutschland sei sicherer geworden. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Hermann Benker kritisierte die Streichung von über 10 000 Stellen in den vergangenen zehn Jahren. „Wo permanent Personal bei der Polizei gekürzt wird, sinkt die Möglichkeit Straftaten zu registrieren“, erklärte er in Berlin.

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