Mittwoch, 29. Juni 2011
(Sächsische Zeitung)
Von Thilo Alexe
Das massenhafte Sammeln von Telefondaten durch Ermittler sorgt für Wirbel. Ein Gerät zur gezielten Ortung kam zum Einsatz.
Auch nach der Versetzung von Dresdens Polizeichef Dieter Hanitsch verursacht das Sammeln von Handydaten von Demonstranten heftige Debatten. Die Landtagsopposition kritisiert das Speichern von mehr als einer Million Daten als unverhältnismäßig. Die Grünen befürchten, dass Gespräche abgehört wurden. Die Linke bringt gar den Rücktritt der Minister Markus Ulbig (Inneres, CDU) und Jürgen Martens (Justiz, FDP) ins Gespräch.
Welche Daten sind in Dresden gesammelt worden?
Nach Ausschreitungen bei einer gegen Neonazis gerichteten Demonstration am 19. Februar wurden knapp 140000 Verbindungsdaten von etwa 65000 Telefonen erfasst. In einer zweiten Auswertung ermittelte die Polizei im Zuge der sogenannten Funkzellenabfrage weitere knapp 900000 Handydatensätze – wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Was kann die Polizei damit feststellen?
Über die Abfrage bei Providern werden nach richterlicher Anordnung im Nachhinein sogenannte Verkehrsdaten ausgewertet. Dazu zählen Nummern beteiligter Anschlüsse sowie Verbindungsdauer. Die Polizei kann sehen, von welchem Handy aus einem bestimmten Gebiet wohin telefoniert wurde. Namen und Inhalte können die Beamten nicht ermitteln. Aber: In 45 Fällen wurden Daten im Verfahren gegen Blockierer von Neonazis verwendet. Zu Unrecht. Das ist nur bei schweren Delikten möglich. Gibt es keine Hinweise auf eine Straftat, müssen die Daten gelöscht werden.
Hat die Polizei auch Gespräche abgehört?
Zumindest hat das gestern niemand dementiert. Vertreter des Justizministeriums, der Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes schweigen mit Blick auf laufende Verfahren. So bleibt auch offiziell unklar, ob sich die Polizei sogenannter IMSI-Catcher bedient hat. Die Geräte können ermitteln, wem ein Handy in der Umgebung gehört. Mit Zusatztechnik ist sogar das Mithören von Gesprächen möglich. Nach unbestätigten SZ-Informationen ist ein IMSI-Catcher zum Einsatz gekommen – und zwar nahe der Großenhainer Straße, wo Spezialkräfte am Abend des 19. Februars das Haus der Begegnung stürmten. Die dabei verwendete Technik ist aber offensichtlich nicht in der Lage, Gespräche mitzuschneiden. Lediglich Signale wurden geortet, die dann Handybesitzern zugeordnet werden konnten. Die Polizei hatte Räume der Linkspartei und eines Jugendvereins durchsucht. Sie vermutet, dass von dort Straftaten systematisch organisiert wurden. Bei der Randale in der Dresdner Südstadt zogen sich mehr als 100 Polizisten, aber auch etliche Demonstranten teils schwere Verletzungen zu.
Plant Sachsen Änderungen bei der Handyabfrage?
Ja. In der Öffentlichkeit verfestigt sich der Eindruck, dass trotz hoher Hürden unbescholtene Demonstrationsteilnehmer ins Visier von Ermittlern geraten. Künftig soll bei Massenabfragen der Datenschutzbeauftragte einbezogen werden. Zudem will Sachsen über den Bundesrat die Rechte Unbeteiligter stärken. Details will Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) am Dienstag nennen. Bei der heutigen Landtagsdebatte schweigt er wohl.