Die Welt, STERN, Focus
Berlin (dpa) – Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Vorratsdatenspeicherung als völlig unzureichend kritisiert.
«Dieser Gesetzentwurf hat das Zeug zum Koalitionskiller», sagte DPolG-Chef Rainer Wendt am Freitag in Berlin. Obwohl die Union Kompromissbereitschaft signalisiert habe, bewege sich Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) keinen Millimeter.
Die Ministerin hat den Entwurf nun Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zugeleitet. Inhaltlich basiert er auf den bereits im Januar vorgestellten Eckpunkten der Ministerin. Demnach sollen ohnehin vorhandene Daten beim Anfangsverdacht einer Straftat gesichert werden, damit die Telekommunikationsfirmen sie nicht routinemäßig löschen. Per Richterbeschluss sollen sie für Ermittlungen genutzt werden können. IP-Adressen von Computern sollen generell sieben Tage lang gespeichert werden, um bei Bedarf Auskunft geben zu können.
Auch die Union hatte diesen Ansatz wiederholt als völlig unzureichend bezeichnet. Sie will die Anbieter von Telefon- und Internetdiensten verpflichten, die Kommunikationsdaten aller Bürger auch ohne Anlass für eine bestimmte Frist zu speichern, damit die Ermittler im Fall einer schweren Straftat darauf zugreifen können. Das Bundesverfassungsgericht hatte die alte Regelung, wonach die Daten massenweise und anlasslos sechs Monate lang gespeichert wurden, im März 2010 als verfassungswidrig gekippt.
Die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung gehört zu den großen Konflikten zwischen den Innenpolitikern von Union und FDP. Daneben streiten die Parteien auch unverändert über die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze. Dabei geht es um Auskünfte, die die Nachrichtendienste von bestimmten Stellen wie Fluggesellschaften und Banken verlangen können, um Terrorgefahren zu erkennen.
Heise online, 10.06.2011
Bundesregierung streitet über Vorratsdatenspeicherung vs. Quick Freeze
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung unter dem Titel „Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet“ an ihren Innenminister-Kollegen Hans-Peter Friedrich (CSU) übermittelt. Mit dem Entwurf verschärft sich die Auseinandersetzung um das Ausmaß der Datenspeicherung.
Die grundlegende Differenz zwischen Gelb und Schwarz ist schnell zu orten. Auf der Webseite des Justizministeriums steht im Eintrag über Quick Freeze: „In diesem Verfahren kann die Sicherung von Verkehrsdaten derjenigen Personen angeordnet werden, die einen hinreichenden Anlass dazu gegeben haben. Die Verkehrsdaten, die die Telekommunikationsunternehmen ohnehin zu geschäftlichen Gründen speichern, sollen also anlassbezogen gesichert (‚eingefroren‘) werden.“ Das sei im Vergleich zur sechsmonatigen Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürger eine datenschutzfreundliche Alternative, zumal eine zusätzliche siebentägige Datenspeicherung der IP-Adressen den Strafverfolgern weiteres Material zur Hand gibt.
Auf der Webseite des Innenministeriums steht seit vorgestern eine FAQ zur Vorratsdatenspeicherung, in dem es unter Quick Freeze heißt: „Wenn jedoch keine gesetzliche Vorgabe zur Speicherung von Verkehrsdaten durch die TK-Anbieter existiert, so ist Quick Freeze keine Lösung. Wo keine Daten vorhanden sind, können auch keine Daten ‚eingefroren‘ werden.“
In dem Gesetzentwurf, den Innenminister Friedrich nun kommentieren kann, wird Quick Freeze als bestens geeignetes Verfahren genannt, dass den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes entspreche. Der Entwurf trage wesentlichen Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden angemessen Rechnung, begrenze aber die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß“, zitiert die Zeitung Die Welt aus dem ihr vorliegenden Gesetzentwurf. Nur die bei TK-Unternehmen ohnehin vorhandenen Daten sollen eingefroren werden und dies auch nur dann, wenn es konkrete Anlässe gebe wie die Erforschung eines Sachverhaltes oder die Ermittlung eines Aufenthaltsortes.
Bei der Polizei stößt der übermittelte Gesetzentwurf auf Ablehnung. In einer ersten Stellungnahme spricht die Deutsche Polizeigewerkschaft von einem Koalitionskiller und hofft auf ein klärendes Machtwort der Kanzlerin. Das vorgeschlagene Quick Freeze wird als ungeeignete Maßnahme gesehen. Oft reichten wichtige Feststellungen weit in die Vergangenheit zurück, wenn Kontakte zu anderen Tätern verfolgt werden müssten, die wochenlang vor der Verdachtsfeststellung erfolgten, argumentiert die Polizeigewerkschaft. Diese Netzwerk-Informationen seien mit Quick Freeze nicht mehr zu erhalten. „Wer die Polizei derart unzureichend ausstatten will, übernimmt Mitverantwortung für die Leiden der Opfer von Kriminalität,“ meint Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft.