In der Silvesternacht machte der Leipziger Stadtteil Connewitz wieder Negativschlagzeilen: 40 bis 50 Randalierer griffen die Polizei mit Böllern, Flaschen und Steinen an.
Die Gewalt gegen die Polizei ist so alltäglich geworden, dass die „Leipziger Volkszeitung“ in einem Stadtteilporträt die regelmäßigen Ausschreitungen „Silvesterkrawalle“ nennt. Am Connewitzer Kreuz fahren in der Silvesternacht keine Straßenbahnen – „aus reiner Vorsicht, damit sich ein möglicher Schaden in Grenzen hält“.
In dem Stadtteil wurden in der Vergangenheit erhebliche Straftaten begangen:
• Im Januar 2015 griffen rund 50 vermummte Täter den Polizeiposten am Connewitzer Kreuz mit Steinen und Pyrotechnik an. Der Posten war mit nur zwei Polizeibeamten besetzt. Kurz darauf wurde der Posten wieder angegriffen, dieses Mal waren aber keine Polizisten vor Ort.
• Im Dezember 2015 attackierten Autonome Polizisten, zündeten Barrikaden und Container an und warfen Schaufenster ein.

Angriffe auf Polizei schon seit den 90er Jahren
Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten Linksextremisten gehören für Polizisten in Connewitz zum Alltag. „Das Problem ist über die Jahre gewachsen, Ausschreitungen und Gewalt gegen Polizeibeamte gibt es schon seit etwa 1994“, sagt Cathleen Martin, Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) Sachsen und als Kripobeamtin auch immer wieder in Leipzig-Connewitz im Einsatz, zu FOCUS Online.
Nach der Wende seien in dem Stadtteil Häuser besetzt worden, die in den späten 90ern von den Besitzern an die Stadt verkauft worden seien – und diese habe sie den einstigen Besetzern überlassen. Seitdem hält sich vor allem in der Stockartstraße und rund um das Connewitzer Kreuz das, was Martin den „harten Kern“ nennt. Dieser harte Kern betrachte die Polizei als Feind. Mittlerweile ist der Stadtteil ein Magnet auch für Linksextremisten aus anderen deutschen Städten, die dort hinziehen.
In die Problemstraße geht es nur mit mindestens zwei Streifenwagen.
Dass in Connewitz Steine oder Flaschen auf Polizeiautos fliegen, sei normal. Zwar könne sie als Polizistin unbehelligt durch das Viertel fahren. „Aber die besagten Straßen und auch kleine Seitenstraßen drum herum meidet man, um nichts zu provozieren. Wenn es doch sein muss, fährt man mit mindestens zwei Streifenwagen rein.“ Es gebe viele Beamte, die in der Stockartstraße nicht eingesetzt werden wollten und sich weigerten, dorthin zu fahren. „Aber natürlich muss jemand das machen.“
Martin würde allerdings keinem Kollegen empfehlen, sein Privatauto oder seinen Dienstwagen dort zu parken. Der Hass auf die Polizei ist offenbar so groß, dass das Auto wenig später wahrscheinlich beschädigt oder beschmiert sei. Vor einigen Jahren seien Listen aus der linksextremen Szene aufgetaucht, welcher Beamte privat welches Auto fahren.
„Wenn Sie da zu zweit sitzen, haben Sie keine Chance“
Ermittlungen gegen die Szene seien mühsam, sagt die Kripobeamtin. „Wenn die vermummt auf Sie zurennen, sind sie kaum zu identifizieren. Auch in diese Szene von außen reinzukommen, ist sehr schwierig.“ Martin erinnert an den Angriff auf den Polizeiposten am Connewitzer Kreuz 2015: „Wenn Sie da zu zweit sitzen, haben Sie keine Chance.“
Hinzu kommt, was Martin die „Deeskelationsstrategie“ der Stadt nennt. „Alle zwei Jahre gibt es diese Aktionen von gewaltbereiten Randalierern. Dann heißt es jedes Mal, wir brauchen dort mehr Polizei. Aber wenn wir dort auffahren, werden solche Einsätze immer wieder von der Stadt abgeblasen.“ Von einer Räumung der Häuser sei schon lange keine Rede mehr.
Polizeigewerkschaft fordert härteres Vorgehen
Was Martin meint, sieht man daran, wie die Stadt im vergangenen Jahr auf eine neue Besetzung reagierte: Eine Gruppe – friedlicher – linker Sozialaktivisten besetzte die Führerscheinstelle des ehemaligen Ordnungsamtes. Ermittelt wurde nicht, stattdessen bot ihnen der Oberbürgermeister andere Räume als Ersatz an.
Die Polizeigewerkschaft wünscht sich ein anderes Vorgehen: „Nur durch konsequentes, hartes Eingreifen könnten wir etwas bewirken. Nur wenn man sagt, man gibt diesen Leuten ihre Freiräume nicht mehr und Straftaten konsequent nachgeht, würde sich etwas ändern“, sagt Kripobeamtin und DPoIG-Landeschefin Martin. Die Realität sehe aber anders aus: „Man nimmt sie in Gewahrsam, sie werden erkennungsdienstlich behandelt, dürfen sich äußern und dann sagt der Staatsanwalt: Geht wieder nach Hause“, berichtet Martin.
In Leipzig geht die Gewalt nicht nur von linker, sondern auch von rechter Seite aus – und die Polizei steht zwischen den Fronten. So waren Januar 2016 mehr als 200 Rechtsextremisten und Hooligans randalierend durch Leipzig gezogen. Im Dezember 2015 war es bei Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und linken Gegendemonstranten zu schweren Ausschreitungen gekommen, dabei wurden 69 Polizisten verletzt.
„Mir ist eigentlich egal, von welcher Seite die Gewalt kommt“, sagt Kripobeamtin Martin. Sie hofft darauf, dass sich unter dem neuen sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und dem neuen Innenminister Roland Wöller etwas an der Situation in Leipzig ändert.

Quelle: Focus Online, Dienstag, 02.01.2018, 19:21

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