Der SBB Beamtenbund und Tarifunion e.V. empfiehlt vorsorglich allen Beamtinnen und Beamten Widerspruch einzulegen, auch wenn dies in den vergangenen Jahren bereits erfolgt ist.
Für das Jahr 2024 empfehlen wir, rein vorsorglich Widerspruch in Sachen
– amtsangemessene Alimentation (allgemein),
– Alimentation kinderreicher Beamter und
– Inflationsausgleichszahlung bei Teilzeit oder Elternzeit
einzulegen.
Dies ist deshalb erforderlich, da aus den Erfahrungen der Vergangenheit bei Änderungen für zurückliegende Jahre im Zweifel nur diejenigen Beamtinnen und Beamten profitieren, die ihre Ansprüche haushaltsnah geltend gemacht haben und deren Verfahren noch offen sind.
Amtsangemessene Alimentation (allgemein) und Alimentation kinderreicher Beamter
Die bisherigen Berechnungen zur Ermittlung des Abstands zur Grundsicherung beruhen auf Datenmaterial der Vergangenheit. Aktuelle Zahlen des Jahres 2024 konnten dabei noch nicht berücksichtigt werden. Ausweichlich der Begründung zum 5. Dienstrechtsänderungsgesetz (Landtagsdrucksache 7/15907) ergibt sich unter Anwendung der zumindest teilweise veralteten Daten für die Musterfamilie ein Abstand von 16,1 % zu den Leistungen, die eine vergleichbare Familie im Rahmen der Grundsicherung erhält. Es verbleibt ein Betrag von 433,55 EUR um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerade noch zu entsprechen. Derzeit kann beispielsweise bereits festgestellt werden, dass die in der Gesetzesbegründung angenommenen Beträge für den persönlichen Schulbedarf oder die Kinderbetreuungskosten nicht mehr zutreffend sind.

Inwieweit der „Puffer“ von 1,1 % zur Untergrenze der Alimentation ausreichend war, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit bestimmen. Dazu bedarf es eines Abgleichs mit den für 2024 tatsächlich anzusetzenden Werten, die erst nach Ende des Jahres zur Verfügung stehen werden.
Für kinderreiche Familien wird auf die Berechnungen der Musterfamilie aufgesetzt, so dass sich auch hier geänderte Werte niederschlagen und derzeit keine abschließende Beurteilung erfolgen kann, ob die Maßnahmen aus dem 4. und 5. Dienstrechtsänderungsgesetz eine verfassungsgemäße Alimentation sicherstellen.
Inwieweit noch weitere Aspekte bei der Bemessung der amtsangemessenen Alimentation eine Rolle spielen, kann ebenfalls noch nicht mit Sicherheit abgeschätzt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund einer Vielzahl offener Fälle vor dem Bundesverfassungsgericht zu Themen der Alimentation ist eine seriöse Einschätzung der Situation nicht möglich.
Inflationsausgleichszahlungen bei Teilzeit und/oder Elternzeit
Hierzu liegt erste Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit vor. Das Arbeitsgericht Essen erkannte eine unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts (Az.: 3 Ca 2231/23). Im Rahmen der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf unterlag die Klägerin jedoch (Az.: 14 SLa 303/24).
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde Revision zugelassen. Auch wenn Entscheidungen im Arbeitsrecht keine unmittelbaren Auswirkungen auf Beamtinnen und Beamte haben, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen, dass die im Beamtenbereich aufgrund der Tarifverhandlungen der Länder nachfolgenden gleichlautenden Übertragungen der Ergebnisse zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Die Erfolgsaussichten werden jedoch aufgrund bisheriger Rechtsprechung in ähnlichen Fallkonstellationen derzeit eher gering eingeschätzt.
Wer sollte Widerspruch einlegen?
Widersprüche sollten jeweils dann eingelegt werden, wenn einer oder mehrere der oben genannten Sachverhalte zutreffen. Betroffen sind dabei grundsätzlich auch Versorgungsempfänger. Auch wer in den Vorjahren bereits Widerspruch eingelegt hat, sollte diesen für das Jahr 2024 erneut bekräftigen. Grundsätzlich können einmal eingelegte Widersprüche Wirkung auch für die Folgejahre entfalten. Aufgrund geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände kann es jedoch sein, dass nicht hinreichend klar ist, ob der Widerspruch weiterhin aufrechterhalten werden soll (OVG Rheinland-Pfalz vom 25. September 2024,Az.: 2 A 10357/24.OVG).
Alt Jahre 2011 bis ggf. 2019
Den SBB erreichten zahlreiche Anfragen, ob Widersprüche aus den Jahren 2011 bis ggf. 2019 noch offen seien. Darauf kann keine allgemein gültige Antwort gegeben werden. Wir bitten alle Beamtinnen und Beamten die eigenen Unterlagen dahingehend zu überprüfen, ob Widerspruch eingelegt, ob dieser zurückgenommen wurde oder ein Widerspruchsbescheid ergangen ist. Soweit weder eine Rücknahme erfolgte noch ein Widerspruchsbescheid vorliegt, sollten Beamtinnen und Beamte Kontakt mit ihrer Bezügestelle aufnehmen und versuchen, den Sachverhalt zu klären. Steht am Ende fest, dass keine Rücknahme erfolgte, kein Widerspruchsbescheid erlassen wurde bzw. lässt sich der Sachverhalt nicht hinreichend aufklären, nimm bitte Kontakt mit deiner Fachgewerkschaft auf. Die Abklärung der Sachlage unterliegt keiner Frist. Es besteht also kein dringender Handlungsbedarf noch 2024.
Stichtagsregelung erhöhte Beihilfebemessungssätze
Art. 3 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber oder die Verwaltung grundsätzlich nicht, ab einem bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) mit Wirkung für die Zukunft bestimmte Lebenssachverhalte anders zu regeln (z.B. BVerfG vom 15. Januar 1985, Az.: 2 BvR 1148/84). Zwar bringt eine solche Stichtagsregelung unvermeidlich gewisse Härten mit sich. Wie jede Abgrenzung nach formalen Kriterien ist sie für den Betroffenen unter irgendeinem Gesichtspunkt fragwürdig. Das allein begründet indessen eine Verletzung nach Art 3 Abs. 1 GG noch nicht; vielmehr ist dies erst dann der Fall, wenn sich für die Regelung kein sachlich vertretbarer Grund anführen lässt. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Die Wahl des Stichtags knüpft an den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften des Gesetzes an. Da die Absicht des Gesetzgebers, die Neuordnung alsbald – im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen – wirksam werden zu lassen, sich nicht als sachfremd erweist, ist die gesetzliche Differenzierung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung bisher ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung, kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Neuregelung der Beihilfebemessungssätze ab einem bestimmten Stichtag nicht erkannt werden. Aus diesem Grund stellen wir auch kein Musterwiderspruchsschreiben zur Verfügung.
Gerichtliche Verfahren
Derzeit ist nicht bekannt, wie die verschiedenen Dienstherren mit den noch offenen Widersprüchen umgehen. Sowohl der dbb als auch der SBB kann keinen gerichtlichen Einzelfallrechtsschutz im Fall von Massenverfahren gewähren. Gleichwohl bemühen wir uns, das Ruhen der Widersprüche zu erreichen. Dies erfolgt vor allem vor dem Hintergrund, dass derzeit eine nicht unerhebliche Zahl an Verfahren zu Fragen der Alimentation vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig sind. Darunter befindet sich auch mindestens ein Verfahren aus Sachsen. Soweit sich hier neue Erkenntnisse ergeben, werden wir darüber informieren.


Frist 31. Dezember 2024

Bezüglich der Anträge wendet Euch bitte an Eure Kreisvorsitzenden bzw. an die Geschäftsstelle der DPolG Sachsen.

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